Wie gefährlich können Influenzaviren für uns Menschen werden?

Während der Pandemie 1918 erkrankten 25-30 Prozent der Weltbevölkerung, ca. 40-50 Millionen Menschen starben[1]. Es gibt keine eindeutigen Zahlen, einige Quellen gehen von 20 bis mehr als 100 Millionen Toten aus - in jedem Falle mehr, als im gesamten ersten Weltkrieg: In diesem Krieg, der von 1914 bis 1918 andauerte, starben 17 Millionen Menschen. [2] Es handelt sich wahrscheinlich um die schlimmste Pandemie der menschlichen Geschichte. Dennoch starben "nur" etwa 2,5 % der Erkrankten,[3] vermutlich weil das Virus (H1N1) ausschließlich die Lunge befiel.

Das Vogelgrippevirus H5N1, das 1997 in Hongkong auftauchte, ist tödlicher. Im März erkrankten Hühner auf drei verschiedenen Farmen in der Region und starben auf grausame, verstörende Art an Grippe, ausgelöst durch das neue Virus. Im Mai 1997 erkrankte ein dreijähriger Junge. Zwölf Tage später starb er im Krankenhaus. Es wurde fieberhaft nach dem Auslöser gesucht und schließlich konnte der Erreger H5N1 nachgewiesen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte man, "H5" beträfe nur Vögel und könne keine Grippe beim Menschen auslösen. Bis dahin war nicht bekannt, dass ein Vogelgrippevirus überhaupt direkt, ohne Zwischenwirt, auf den Menschen überspringen kann. Die Virologen waren schockiert und alarmiert. Sie befürchteten den Ausbruch einer Pandemie, die Ausmaße wie die Pandemie von 1918 annehmen könnte. Und der Junge blieb nicht der einzige Patient. Es erkrankten weitere Menschen, einige überlebten, andere starben. Darunter auch junge Menschen im besten Alter. Es erkrankten nicht viele Menschen, das Virus schien Menschen nicht so leicht infizieren zu können. Infektionen von Mensch zu Mensch gab es, allerdings nur vereinzelt und nur bei engem Kontakt. Es wurde jedoch befürchtet, dass sich das Virus in Schweinen rekombinieren könnte (wie es schon bei andere Grippeviren geschehen war) und dadurch leicht auf den Menschen übertragbar werden würde - eine katastrophale Vorstellung. Denn es starb mehr als die Hälfte der Erkrankten. Wissenschaftler forderten, jedes Huhn im gesamten Gebiet zu töten, um weitere menschliche Infektionen und eine Anpassung des Virus an den Menschen und damit eine leichtere Übertragbarkeit zu verhindern. Auch die Verbreitung des Virus in andere Regionen sollte so verhindert werden. Die Regierung folgte schließlich der Empfehlung und weit über eine Million Vögel im gesamten Umkreis wurden getötet. [4]
H5N1 kann wie ein Dominoeffekt alle lebenswichtigen Organe befallen und quasi “abschalten“: Nieren, Leber, Lunge und weitere innere Organe. Es ist das erste Vogelgrippevirus, das gelernt hat, sich im ganzen menschlichen Körper zu „aktivieren“. H5N1 zeigt, dass sich in Hühnern ein Vogelgrippevirus mit beispielloser menschlicher Letalität entwickeln kann. Gleichzeitig gelang es dem Virus, Wasservögel zu reinfizieren - offenbar schon vor der groß angelegten Tötungsaktion. 2004 führte dieses Virus zum Tod von mehr als 100 Millionen Hühnern in 8 südostasiatischen Ländern. Diesmal hatten Hahnenkämpfe und die damit verbundenen Transporte lebender Hühner offenbar einen großen Anteil an der Verbreitung des Virus aus den Geflügelfarmen. Mehrere Menschen, die an diesen blutigen Hahnenkämpfen beteiligt waren sowie einige ihrer Kinder, starben.[5]
Während H5N1 für Hühner und Menschen tödlich bleibt, ist es für die meisten Zugvögel (Wasservögel) relativ harmlos. So gelingt es ihm, „um die Welt zu fliegen“. Das Influenzavirus in der Natur scheint unauslöschbar. Doch das schlimmste was ein Vogelgrippevirus einer wilden Ente in einem Menschen auslösen kann, ist offenbar eine milde Form der Bindehautentzündung. Glücklicherweise springt H5N1 bisher auch von domestiziertem Geflügel weiterhin nicht so leicht auf den Menschen über. Bis Januar 2020 infizierten sich 861 Menschen, von denen 455 starben.[6]

Der Niederländische Ausbruch des neuen Virus H7N7 im Jahr 2003 zeigte, dass Hühner ein Virus produzieren können, das direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden kann: es gab mehr als 1000 Infizierte. Geflügelarbeiter infizierten 59% ihrer Haushaltsmitglieder. Glücklicherweise starb nur eine Person: ein Tierarzt, der beim Keulen der Tiere involviert war. Über dreißig Millionen Vögel starben bzw. wurden gekeult.[7]

2013 tauchte "H7N9" auf. Dieses Virus enthält offenbar ein Gen aus domestizierten Enten, eines aus Wildvögeln und sechs aus domestiziertem Geflügel. Von den ersten 1.500 infizierten Menschen starben um die 600 - nahezu 40%. Seit 2017 wurde berichtet, dass sich das Virus, wenn auch eingeschränkt, auch von Mensch zu Mensch verbreiten kann.

H5N1 und die anderen 10 neuen Vogelgrippeviren die weltweit Menschen infizieren, gehen auf die industrielle Geflügel”produktion” zurück, in der die Tiere in einer für Viren perfekten Umgebung leben. Zudem herrschen hier perfekte Bedingungen für die Entstehung und Verbreitung von “hochpathogenen Vogelgrippeviren”. Gelangt ein harmloses, bis dahin stabiles Vogelgrippevirus (niedrigpathogenes Vogelgrippevirus: LPAI-Virus = low-pathogenicity avian influenza) aus einem Wasservogel in eine Geflügelfarm, beginnt es sich sehr schnell weiter zu entwickeln und kann zu einer potenziell extrem tödlichen Version mutieren, zu einem hochpathogenen Vogelgrippevirus (HPAI-Virus = highly pathogenic avian influenza). HPAI-Viren haben kein natürliches Reservoir.[8] Zu diesen Viren gehören H5- und H7-Varianten.
Massentierhaltung und Lebendtiermärkte bieten ideale Bedingungen für ein Grippevirus. Zum Glück haben weder H5N1 noch H7N9 die Fähigkeit, sich leicht von Mensch zu Mensch zu übertragen. Da sie jedoch beide in der Lage sind Menschen anzustecken, gibt es große Befürchtungen, dass sie die Fähigkeit sich zwischen Menschen zu verbreiten entwickeln und eine Pandemie auslösen könnten.[9] Diese beiden Virusstämme existieren und mutieren weiterhin. H7N9 könnte nur noch drei Mutationen davon entfernt sein, sich effektiv zwischen Menschen zu verbreiten. [10]
Das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) stuft H7N9 als die momentan größte Gefahr für eine Grippe-Pandemie ein.[11] Solch eine Pandemie könnte verheerende Auswirkungen haben.

Es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis die neuen Geflügelbetriebe die gefährlichste aller Kombinationen hervorbringen. Zumal alle Pandemie-Vorläuferstämme weiter im Reservoir der Wasservögel existieren und auf eine Möglichkeit warten, auszubrechen. Die weltweite Verbreitung und Zunahme der Geflügelzucht verschärft die Situation zusätzlich.
Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Pandemie kommt. Und wie schlimm sie wird. Laut Dr. Michael Greger würde eine Pandemie mit mehr als ein paar Prozent Sterblichkeit nicht nur die Finanzmärkte bedrohen, sondern die Zivilisation in der Form, wie wir sie kennen.

Ein leitender Molekularvirologe der Universität Cambridge sagte:[12]

"Hühner bilden eine Brücke zwischen der Wildvogelpopulation, in der Vogelgrippe gedeiht und Menschen, unter denen neue Pandemiestämme auftreten können. Diese Brücke zu entfernen wird das Risiko, das Vogelgrippeviren für Menschen darstellen, dramatisch reduzieren." (Übers. aus dem Englischen.)

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Quellen:

Das Buch "How to Survive a Pandemic" von Dr. Michael Greger ist Ausgangspunkt und wichtigste Quelle für den gesamten Abschnitt.


  1. In the dawn of a new century one pathogen remains still as the paradigm of emerging diseases: The Influenza A virus. Avian Influenza virus program - Virginia-Maryland Veterinary Medicine;2007 (FluTrackers) ↩︎

  2. Spanische Grippe: Die schlimmste Influenza-Pandemie der Geschichte. BR Wissen; 2020 ↩︎

  3. The Origin and Virulence of the 1918 “Spanish” Influenza Virus. Jeffery K. Taubenberger / PubMed; 2006 ↩︎

  4. The plague in waiting. Pete Davies; 1999 (The Guardian) ↩︎

  5. Bird Flu Adds New Danger to Bloody Game. Alan Sipress; 2005 (The Washington Post) ↩︎

  6. Influenza H5N1-Todesfälle ("Vogelgrippe") nach Ländern weltweit im Zeitraum von 2003 und 2020. Rainer Radtke; 2020 (statista) ↩︎

  7. Avian influenza: recent developments. Ilaria Capua, Dennis J. Alexander; 2010 (tandfonline) ↩︎

  8. Avian influenza: assessing the pandemic threat. WHO; 2005 (PDF) ↩︎

  9. The Bird Flu Threat – Why Aren’t We Worrying? Fauziah Mohamad Idris; 2005 (Malays J Med Sci / PMC) ↩︎

  10. The COVID-19 Pandemic May Just Be a Dress Rehearsal. Michael Greger M.D. FACLM; 2020 ↩︎

  11. Summary of Influenza Risk Assessment Tool (IRAT) Results. CDC; 2020 ↩︎

  12. BirdFluBook.com. Dr Michael Greger; 2006 (Lantern Media) ↩︎