Können wir uns in Europa mit exotischen Krankheiten infizieren?

Dringen wir Menschen in die Lebensräume von Wildtieren vor, können wir mit verschiedensten Tierarten und Krankheitserregern in Kontakt kommen, denen wir ansonsten niemals begegnet wären. Solche für uns neuartigen Erreger haben das Potenzial tödliche Erkrankungen hervorzurufen und, wenn es dem Erreger gelingt sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten, Epidemien oder gar Pandemien auszulösen. Es gibt verschiedene Wege, auf denen wir mit solchen Erregern in Kontakt kommen können:

  • Neben dem Übertragungsweg über Nutztiere die in der Nähe von Wildtieren gehalten werden, ist ein weiterer Weg die Jagd und der Verzehr von Wildfleisch bzw. “Bushmeat”. So sprang unter anderem das Aids auslösende Virus beim Verzehr von Affen auf den Menschen über - und das mehrfach.[1] Gelingt einem Virus - wie es bei HIV der Fall ist - die effektive Übertragung von Mensch zu Mensch, kann es sich weltweit verbreiten.
  • Viren aus fernen Regionen, zum Beispiel aus dem Regenwald, können zudem in lebenden Tieren zu uns gelangen: mit exotischen Haustieren.
  • Ein weiterer Verbreitungsweg für bestimmte exotische Krankheitserreger tut sich durch den Klimawandel auf, indem sich die Bedingungen für bestimmte Tierarten und Erreger verbessern und sich ihre Lebensräume erweitern.
  • Ein seltenerer Übertragungsweg ist der Kontakt mit den Ausscheidungen infizierter Tiere bzw. mit durch Ausscheidungen kontaminiertem Staub, der eingeatmet wird. Während die meisten Ebola-Ausbrüche auf die Übertragung durch verschiedene Säugetiere zurückgeführt werden (Jagd und Verzehr), wurde die Ebola-Epidemie 2014-2016 in Westafrika möglicherweise auf diesem Weg ausgelöst: Kinder spielten in einem hohlen Baum in dem Fledermäuse lebten. Ein zweijähriger Junge kam vermutlich über deren Ausscheidungen in Kontakt mit dem Ebola-Virus.[2] Bei uns können Hantaviren über kontaminierten Staub übertragen werden.

Welche Rolle spielen Haustiere bei der Übertragung von Krankheiten?

Haustiere können Überträger verschiedenster Infektionskrankheiten sein.[3] Aus dem Ausland importierte Tiere können hierzulande unbekannte Krankheitserreger mitbringen.

Während der Coronapandemie ist die Nachfrage nach Haustieren gestiegen. Fast in jedem zweiten Haushalt in Deutschland lebt mindestens ein Haustier. 2020 stieg die Zahl der gehaltenen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel in den Haushalten um etwa eine Million Tiere, auf 34,9 Millionen, an. Nicht mitgezählt sind die zahlreichen Zierfische und Terrarientiere. Dies ergab eine Erhebung zu Beginn des zweiten Lockdowns im Herbst 2020, die für den Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e.V. und den Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) durchgeführt wurde.[4]

Woher kommen exotische Haustiere?

Manche “gängigen” Arten werden gezüchtet. Es hat sich jedoch auch ein lukrativer Markt für seltenere Arten entwickelt. So werden u. a. immer mehr bedrohte Reptilien und Amphibien gehandelt, die in ihren Heimatländern geschützt sind. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Wildfänge. Diese Tiere werden illegal gefangen. Sind sie jedoch (noch) nicht durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) geschützt, dürfen sie hier in der Europäischen Union legal verkauft werden - obwohl sie aus dem Herkunftsland geschmuggelt wurden. Im Gegensatz dazu dürfen bei uns heimische Frösche, Fledermäuse, Igel und Schlangen nicht gefangen und als Haustiere verkauft werden. Denn diese Tiere sind nach europäischem und deutschem Recht geschützt.

Einige wenige exotische Arten werden hierzulande in großen Zahlen gezüchtet. (Unter welchen Bedingungen?) Bei importierten Tieren die aus “Nachzuchten” stammen sollen, handelt es sich möglicherweise, entgegen der Angaben, um Wildfänge. Denn oftmals reichen die Kapazitäten der angeblichen Zuchtstationen nicht aus, um die große Nachfrage zu bedienen. Zudem sind die Gewinnmargen bei Wildfängen deutlich höher.[5]

Exotische Haustiere - eine Brücke für exotische Krankheitserreger?

Der internationale Handel mit exotischen Haustieren ist eine Multimilliarden-Dollar-Industrie.[6] [7] Darüber hinaus gibt es einen boomenden Schwarzmarkt.[8] Die Europäische Union ist einer der größten Absatzmärkte für lebende Wildtiere, die als exotische Haustiere gehalten werden. Ein Großteil dieses Handels wird weder erfasst noch beschränkt. Das gilt sogar für Arten, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen.[9] Besonders hoch ist die Nachfrage nach exotischen Tieren in Deutschland.[10] So hat Deutschland von 2008 bis 2017 mehr als vier Millionen lebende Reptilien importiert. Importierte Fische, Vögel, Amphibien und exotische Säugetiere werden allesamt nicht erfasst.[11] Allein die USA importieren 350.000 verschiedene Arten lebender Tiere.[12] Etwa 200 Millionen lebende Tiere werden jährlich legal in die USA importiert. Darunter 175 Millionen Fische, die restlichen 25 Millionen sind Säugetiere, Amphibien, Vögel, Insekten, Reptilien, Spinnen und mehr. Hinzu kommen die illegal gehandelten Tiere.

Früher konnten Viren höchstens mit Mücken oder Vögeln fliegen, heute überqueren sie in Flugzeugen in kürzester Zeit Kontinente. So können als exotische Haustiere gehaltene Wildtiere eine Brücke zwischen exotischen Erregern und Menschen bilden - und das über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. Aus der Wildnis in das heimische Wohnzimmer. Die meisten Länder haben keine Regierungsbehörde, die Wildtierimporte umfassend auf Krankheitserreger untersucht:

"Das Fehlen einer formellen Einheit, die sich der Verhinderung der Ausbreitung von Krankheiten aus dem Wildtierhandel widmet, ist eine chronische Lücke auf der ganzen Welt. Wenn für eine bestimmte Sendung mehrere Agenturen hinzugezogen werden müssen, das Personal begrenzt ist und die Koordination fehlt, kann es zu Lücken kommen - [es entsteht] ein falsches Sicherheitsgefühl, dass eine andere Agentur es abgedeckt hat." Catherine Machalaba, Politikberaterin für die EcoHealth Alliance [13]

Verschiedene exotische Tierarten, ob als Haustiere oder für die exotische Küche, werden unter beengten Bedingungen zusammen importiert bzw. transportiert und im Handel und Verkauf auf engem Raum gehalten. Eine perfekte Gelegenheit für Viren, von einer Art auf eine andere zu springen und sich zu vermischen. Zudem stehen die Tiere unter Stress. Wie wir es von den Transporten sogenannter Nutztiere kennen, vermindert Stress die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheitserregern, die sich infolgedessen effektiver vermehren können.[14]

”Viren können in lebenden oder toten Tieren, als Haustiere oder als Fleisch, aus den Regenwäldern entweichen. Der internationale Handel mit exotischen Haustieren ist eine milliardenschwere Industrie und exotische Haustiere können exotische Keime beherbergen.” Dr. Michael Greger [15]


Quellen:


  1. Bush-meat trade breeds new HIV. Amitabh Avasthi; 08.2004 (NewScientist) ↩︎

  2. Ursprung der Ebola-Epidemie identifiziert. EMBO, 05.01.2015 – NPO (scinexx) ↩︎

  3. Zoonosen durch Haustiere - Freunde mit Risiken. Dr. Nicole Schuster; 11.2018 (Pharmazeutische Zeitung) ↩︎

  4. Trend zum Heimtier hält auch 2020 an. Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e.V. ↩︎

  5. Exotische Haustiere - Wildwuchs im Wohnzimmer. Pro Wildlife e.V. ↩︎

  6. Their Bugs Are
    Worse than Their Bite: Emerging Infectious Disease and the
    Human-Animal Interface. Michael Greger, M.D. (PDF)
    ↩︎

  7. When pets become pests: the role of the exotic pet trade in producing invasive vertebrate animals. Julie L. Lockwood, Dustin J. Welbourne, Christina M. Romagosa et al.; 06.2019 (ESA - Ecological Society of America) ↩︎

  8. Der illegale Wildtierhandel. Animalma ↩︎

  9. Tag des Artenschutzes: Wildtierhandel - Gefahr für Mensch und Tier: China reagiert mit Verboten, EU muss endlich handeln. ECO-News; 03.2020 (.eco-world.de) ↩︎

  10. Wildtierhandel: Gefahren für Mensch und Tier. Andrea Rehmsmeier; 06.2020 (Deutschlandfunk) ↩︎

  11. Exotische Haustiere - Wildwuchs im Wohnzimmer. Pro Wildlife e.V. ↩︎

  12. How to Survive a Pandemic. Michael Greger, M.D., FACLM; 2020 (Buch, engl.) ↩︎

  13. To prevent the next pandemic, it’s the legal wildlife trade we should worry about. Jonathan Kolby; 07.2020 (National Geographic) ↩︎

  14. The welfare of animals during transport. Report of the Scientific Committee on Animal Health and Animal Welfare; 2002 (European CommissionHealth & Consumer Protection Directorate-General, PDF)
    ↩︎

  15. Their Bugs Are Worse than Their Bite: Emerging Infectious Disease and the Human-Animal Interface. Michael Greger, M.D. (PDF) ↩︎