Was haben exotische Haustiere mit dem Artensterben zu tun?

Der Handel mit exotischen Haustieren trägt auf verschiedenen Wegen zum Artensterben bei:

  • Die starke Nachfrage nach exotischen Haustieren führt u. a. dazu, dass wildlebende Tiere eingefangen und exportiert werden. Darunter auch bereits gefährdete Arten, die so noch stärker unter Druck geraten.
  • Auch wenn die meisten der importierten Tiere ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbringen, werden dennoch viele Individuen freigelassen oder entwischen. So gelang es schon etlichen invasiven Arten, sich in der neuen Umgebung anzusiedeln und heimische Arten zu verdrängen.
  • Zusammen mit den exotischen Haustieren werden exotische Krankheitserreger eingeschleppt, die für heimische Arten sehr gefährlich sein können - auch für uns Menschen.

Trägt die Nachfrage nach exotischen Haustieren direkt zum Artensterben bei?

2019 identifizierte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) fünf Hauptursachen für das derzeitige Artensterben. Die zweitwichtigste Ursache ist demnach die direkte Ausbeutung von Tier- und Pflanzenarten durch den Menschen.

„Das Artensterben betrifft nicht nur ferne Länder. Auch Deutschland und Europa tragen mit dazu bei, dass Arten in ihren Ursprungsländern zunehmend gefährdet sind. Das betrifft ganz direkt die Nachfrage nach exotischen Wildtieren für den deutschen Heimtiermarkt. Diese Nachfrage ist viel zu hoch, das darf nicht so bleiben. [...]“ Svenja Schulze, Bundesumweltministerin (30.03.2020)

Reptilien, Amphibien und exotische Säugetiere gehören zu den Arten, die in Deutschland und der EU immer häufiger gehandelt werden. Und das, obwohl sie oft in ihrer Heimat, in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, gefährdet sind. Laut einer Studie die im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) von Pro Wildlife durchgeführt wurde, wurden im deutschen Heimtierhandel in zwölf Monaten mehr als 2.000 verschiedene Wildtierarten angeboten, das Artenspektrum wechselt ständig. 75 Prozent der in Deutschland angebotenen Arten unterliegen keinen internationalen Schutzbestimmungen, der Handel dieser Arten wird somit nicht kontrolliert. Darunter sind, vor allem bei Reptilien und Amphibien, viele Arten die sehr selten sind oder gerade neu entdeckt wurden und noch nicht unter Schutz stehen. Oder auch Arten, die aufgrund des Verlustes ihres Lebensraumes stark gefährdet sind. So gefährdet der Wildtierhandel zusätzlich den Bestand zahlreicher vom Aussterben bedrohter Arten.

“Oft fehlt es bei den Kunden vor allem am Bewusstsein, dass der Fang und letztendlich damit der Kauf von exotischen Wildtieren für den europäischen Heimtiermarkt nicht nur einzelnen Arten schadet, sondern auch Lebensräume beeinträchtigen oder sogar zerstören kann.“ Prof. Beate Jessel, BfN-Präsidentin

In vielen Fällen ist nicht nachvollziehbar, woher die angebotenen Tiere kommen: ob es Wildfänge sind oder ob sie aus einer Zucht stammen. Bei über sechzig Prozent der online angebotenen Tiere fehlen diese Angaben. Der Onlinehandel erleichtert zudem den Kauf von Wildtieren, Spontankäufe sind mit wenigen Klicks in die Tat umgesetzt. Durch die Möglichkeiten des Onlinehandels vergrößert sich der Kreis potenzieller Kunden und Anbieter stark.[1] [2]

„Bis heute werden viele Tiere aus ihren Habitaten in den letzten intakten Regenwäldern, Wüsten und Steppen des Planeten gerissen. Wir haben immer wieder neue Arten, die gehandelt werden, die natürlich überhaupt nicht seit Generationen gezüchtet werden können, sondern die müssen aus der Wildnis kommen. Und ja, es zeigt sich auch, dass immer wieder Tiere aus der Wildnis genommen werden, auch um Zuchtlinien wiederaufzufrischen und wieder frisches Blut reinzukriegen. Und es gibt auch einfach viele Tiere, die sich einfach nicht für die Haltung in Gefangenschaft eignen und die sterben. Und dementsprechend brauche ich da auch wieder Nachschub und muss die aus der Wildnis nehmen.“ Katharina Lameter von Pro Wildlife

So kann selbst die Nachfrage nach Tieren die tatsächlich aus der Zucht stammen dazu beitragen, dass wildlebende Tiere gefangen werden.[3] Häufig werden Wildfänge zudem fälschlicherweise als Nachzuchten deklariert.[4] Aufgrund der großen Nachfrage werden besonders viele exotische Haustiere nach Deutschland geliefert. Und damit wächst auch der Schwarzmarkt. Denn die Preise für geschützte und seltene Tiere sind besonders hoch.

Unbedarfte Käufer holen sich Tiere, deren Herkunft nicht nachzuvollziehen ist.[5] Tiere, denen sie oftmals nicht gerecht werden können, da eine artgerechte Haltung nicht möglich ist. Nicht domestizierte Tiere, die sich als schwierig in der Haltung herausstellen, die aggressiv, zu groß oder zu teuer werden oder länger leben als gedacht.[6] Tiere, die möglicherweise exotische Krankheitserreger mitbringen.

Welche Auswirkungen hat die Ansiedlung nicht heimischer Arten?

Gebietsfremde Arten die sich erfolgreich in ihrem neuen Lebensraum ansiedeln und die biologische Vielfalt gefährden, werden als invasive Arten bezeichnet. Sie können mit einheimischen Arten um Lebensraum und Ressourcen konkurrieren oder durch Kreuzung mit einheimischen Arten den Genpool verändern.[7] Diese genetische Veränderung kann sich schleichend vollziehen und unter Umständen so weit gehen, dass die einheimische Art langfristig durch die gebietsfremde Art ersetzt wird. Zudem können neue Arten als Fressfeinde einheimische Arten gefährden. Hinzu kommt die Gefährdung durch eingeschleppte, fremde Krankheitserreger.

Fremde Arten können sich nur ansiedeln, wenn sie unter anderem mit den klimatischen Bedingungen zurecht kommen. Die meisten gebietsfremden Arten die sich bisher bei uns in Deutschland ansiedeln konnten, haben keine negativen Folgen. Mithilfe des Klimawandels werden sich die Probleme durch invasive Arten jedoch auch bei uns wahrscheinlich deutlich verschärfen.[8]

Laut IPBES ist die Einschleppung invasiver Arten eine weitere der fünf Hauptursachen für das derzeitige Artensterben. Die meisten Tierarten gelangen auf zwei Wegen in neue Regionen:

  • Versehentliche Einschleppung als “blinde Passagiere” auf Schiffen oder in Flugzeugen, die Menschen oder Waren transportieren.
  • Als Ware, u. a. als exotische Haustiere.

Die meisten exotische Haustiere leben den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft. Dennoch werden viele Individuen freigelassen oder entwischen. Dies geschieht während des Transports und Handels oder später beim überforderten oder unachtsamen Besitzer. Der Heimtierhandel hat schon heute dazu geführt, dass sich weltweit mehrere hundert nicht heimische, invasive Wirbeltierarten ansiedeln konnten. Dies kann zur Verdrängung einheimischer Arten führen und gefährdet somit die Artenvielfalt. Bei einigen Arten wie Reptilien und Amphibien ist der Heimtierhandel die größte Quelle für nicht heimische Arten.

Forschungen kommen zu folgenden Ergebnissen:

  • Von 140 in Florida eingeführten nicht heimischen Reptilien und Amphibien, kamen fast 85 % über den Handel mit Haustieren. (Krysko et al., 2011)
  • In Brasilien werden 70 % der Invasionen von Säugetierarten der letzten 30 Jahre auf den Heimtierhandel zurückgeführt. (Rosa et al., 2017)
  • In der EU sind exotische Haustiere die Hauptquelle für nicht einheimische, neu angesiedelte Arten von Amphibien, Reptilien, Säugetieren und Vögeln. (Hulme et al., 2008)
  • Mindestens 100 Arten von Süßwasserfischen aus dem Aquarienhandel wurden laut einer Untersuchung in nordamerikanische Binnengewässer eingeführt, 40 % davon konnten sich ansiedeln. (Rixon et al., 2005)
  • In US-Küstengewässern wurden 33 Meeresfischarten identifiziert, die für den Heimtierhandel importiert wurden. (Rhyne et al., 2012)
  • In den letzten zehn Jahren gab es einen deutlichen Anstieg der Anzahl nicht heimischer Fische, die sich in Meeresgewässern der EU etablieren konnten. Ein Zusammenhang mit dem schnellen Wachstum der Meerwasseraquarium-Industrie wird vermutet.

Dies zeigt deutlich den Einfluss des Handels mit exotischen Haustieren auf die weltweite Ansiedlung nicht heimischer Arten. Es gibt jedoch Hinweise, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Denn es liegt mindestens ein Jahrzehnt zwischen dem Beginn des zunehmenden Handels und dem Zeitpunkt der Registrierung der angesiedelten nicht heimischen Arten. Die hier aufgezählten Statistiken spiegeln somit nicht den aktuellen Stand wieder sondern zeigen die Auswirkungen der Handelsmuster vergangener Jahrzehnte.[9]

Welche Rolle spielt der Wildtierhandel bei der globalen Verbreitung von Krankheitserregern?

Der Wildtierhandel spielt eine wesentliche Rolle bei der globalen Verbreitung von Krankheitserregern und somit von neu aufkommenden Infektionskrankheiten und Tierseuchen.[10] Mit den Tieren eingeschleppte Krankheitserreger können fatale Folgen für einheimische Wildtierarten, Menschen und sog. Nutztiere haben.[11] Während gebietsfremde Arten gegen einige dieser Krankheitserreger resistent sein können, sind die Erreger für die heimischen Arten neu und können tödlich sein. Beispielsweise siedelte sich der amerikanische Flusskrebs in unseren Gewässern an und brachte einen Pilzerreger mit. Amerikanische Flusskrebse sind gegen die durch den Pilzerreger ausgelöste Infektionskrankheit, die "Krebspest", immun. Für einheimische Flusskrebsarten ist diese Erkrankung tödlich.[12]

Warum sterben massenhaft Amphibien?

Zwei Pilzkrankheiten, die sich offenbar durch den Handel mit Amphibien verbreiteten, befallen heimische, wildlebende Arten. Mit verheerenden Folgen:

Der sogenannte "Salamanderfresser" (Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal) dezimierte seit 2008 die Bestände von Salamandern in der Eifel, in Belgien und Holland drastisch.[13] Die Anzahl der Feuersalamander sank dort in nur zwei Jahren auf Null.[14] Der Pilz verursachte geradezu ein Massensterben. Er kam vermutlich mit asiatischen Schwanzlurchen in die EU, die als exotische Haustiere importiert wurden. Die Einfuhr von Salamandern wurde nicht gestoppt, es wurde lediglich 2018 eine temporäre Quarantäne-Auflage erlassen.[15] Asiatische Feuerbauchmolche (Schwanzlurche) dienen als Reservoir für den Pilz. Sie und etliche weitere Lurche wurden seit Jahrzehnten als exotische Haustiere verkauft. Terrarientiere sind häufig infiziert, ohne Symptome zu zeigen. Der Pilz kann mit ausgesetzten Amphibien, aber auch über Material oder Wasser aus Terrarien in die Natur gelangen. Neben den Salamandern sind auch alle einheimischen Molcharten (Berg-, Kam-, Faden- und Teichmolche) betroffen. Im Gegensatz zum Verlauf beim Feuersalamander verläuft die Erkrankung bei ihnen allerdings nicht zwingend tödlich. Frösche und Kröten können sich zwar infizieren, Krankheitssymptome wurden bei ihnen jedoch noch nicht festgestellt. All diese Tierarten die sich infizieren können, können den Pilz weiter verbreiten. Zudem können sich die Pilzsporen einkapseln und so Wochen überleben und durch andere Tiere oder Menschen unbemerkt verteilt werden. Bisher sind überwiegend die Niederlande, Belgien und der Westen Deutschlands betroffen, jedes Jahr kommen hier weitere Fundorte hinzu. Bei uns gibt es nur etwa 20 einheimische Amphibienarten. Gelangt der Pilz in den Mittelmeerraum oder nach Nordamerika, könnte er durch die dortige große Artenvielfalt zur Gefahr für weit mehr Amphibienarten werden.[16]

Der Amphibien-Chytridpilz (der Wasserpilz-Erreger Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Bd) wurde 1998 entdeckt, er ist mit dem “Salamanderfresser” verwandt. Als erster bekannter Erreger kann er hunderte von Arten infizieren. Genauer gesagt: Er kann fast jede Amphibienart infizieren und damit etwa 8.000 Arten. Viele davon könnten Aussterben. Der aus Asien stammende Pilz hat sich auf der ganzen Welt verbreitet, selbst in abgelegenen Schutzgebieten. Das Ausmaß dieser Pandemie unter Amphibien ist damit im gesamten Tierreich beispiellos.[17]

"Von den knapp 8.000 bekannten Amphibienarten sind bereits mindestens 120 durch den Pilz ausgelöscht worden. Er ist der Sargnagel für die Amphibien." Dirk Schmeller, Biologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig

Der Pilz wurde sowohl bei wildlebenden, als auch bei in Gefangenschaft lebenden Amphibien nachgewiesen. Wissenschaftler schätzen den zunehmenden Handel mit Amphibien als wichtigsten Verbreitungsweg ein. So betont Dirk Schmeller, dass die Tiere nicht immer richtig gehalten werden. Amphibien seien zudem gute Flüchtlinge. So schaffen sie selbst die Flucht über glatte Fenster. Die Forschungsgruppe aus Leipzig fordert, den Handel mit Amphibien komplett zu verbieten. Denn es gibt schon heute viele verschiedene Varianten des Erregers, die zum Teil noch gefährlicher als die ursprüngliche Variante sind. Geht der Handel weiter, entstehen immer neue Mutationen, deren Auswirkungen nicht absehbar sind.

Welche Bedeutung hat das Amphibiensterben für uns Menschen?

Der Rückgang der Amphibienpopulationen ist weltweit eine Katastrophe für Ökosysteme. Auch für uns Menschen kann er schwerwiegende Folgen haben. Amphibien halten unter anderem die Populationen von Insekten in Schach und schützen uns so vor Erkrankungen, die durch Mücken übertragen werden.[18] Dieser Schutz gewinnt in Zeiten der Klimaerwärmung, durch deren Auswirkung auf die Verbreitung exotischer Mücken und Erreger, noch einmal eine ganz neue Bedeutung.


Quellen:


  1. Neue Studie: Handel mit exotischen Wildtieren trägt zum Artensterben bei. Pro Wildlife ↩︎

  2. Neue Studie zeigt Handlungsbedarf beim Schutz von exotischen Wildtieren. Bundesamt für Naturschutz; 03.2020 (BfN) ↩︎

  3. Wildtierhandel: Gefahren für Mensch und Tier. Andrea Rehmsmeier; 06.2020 (Deutschlandfunk) ↩︎

  4. Neue Studie: Handel mit exotischen Wildtieren trägt zum Artensterben bei. Pro Wildlife ↩︎

  5. Wildtierhandel: Gefahren für Mensch und Tier. Andrea Rehmsmeier; 06.2020 (Deutschlandfunk) ↩︎

  6. Exotische Haustiere - Wildwuchs im Wohnzimmer. Pro Wildlife e.V. ↩︎

  7. Gebietsfremde Arten - Was sind invasive Arten? Bundesamt für Naturschutz (BfN) ↩︎

  8. Gebietsfremde und invasive Arten in Deutschland: Auswirkungen, Gefahren und Bedeutung. Bundesamt für Naturschutz (BfN) ↩︎

  9. When pets become pests: the role of the exotic pet trade in producing invasive vertebrate animals. Julie L. Lockwood, Dustin J. Welbourne, Christina M. Romagosa et al.; 06.2019 (ESA - Ecological Society of America) ↩︎

  10. Neue Studie zeigt Handlungsbedarf beim Schutz von exotischen Wildtieren. Bundesamt für Naturschutz; 03.2020 (BfN) ↩︎

  11. Tag des Artenschutzes: Wildtierhandel - Gefahr für Mensch und Tier: China reagiert mit Verboten, EU muss endlich handeln. ECO-News; 03.2020 (.eco-world.de) ↩︎

  12. Gebietsfremde und invasive Arten in Deutschland: Auswirkungen, Gefahren und Bedeutung. Bundesamt für Naturschutz (BfN) ↩︎

  13. Tag des Artenschutzes: Wildtierhandel - Gefahr für Mensch und Tier: China reagiert mit Verboten, EU muss endlich handeln. ECO-News; 03.2020 (.eco-world.de) ↩︎

  14. Pilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd): Der weltweite Amphibien-Killer stammt aus Asien. BR Wissen; 05.2018 (BR.de) ↩︎

  15. Artenschützer warnen: Tierhandel nach Europa ist Gesundheitsrisiko. Pro Wildlife; 01.2020 ↩︎

  16. Salamanderpest: Der Salamanderfresser breitet sich aus. Gunther Willinger; 04.2020 (Spektrum.de) ↩︎

  17. To prevent the next pandemic, it’s the legal wildlife trade we should worry about. Jonathan Kolby; 07.2020 (National Geographic) ↩︎

  18. Pilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd): Der weltweite Amphibien-Killer stammt aus Asien. BR Wissen; 05.2018 (BR.de) ↩︎