Wie wirkt sich der Klimawandel auf Zoonosen und Pandemien aus?

Einige Tierarten wie Fledermäuse und Flughunde, Nagetiere, Mücken und Zecken dienen als Reservoir bzw. Überträger für besonders viele Erreger. Ausgerechnet für diese Arten verbessern sich die Lebensbedingungen aufgrund des Klimawandels und ihre Lebensräume dehnen sich aus.

Im Nachfolgenden sehen wir uns beispielhaft ein paar Infektionskrankheiten an, die aufgrund des Klimawandels vermehrt auftreten.

Durch Mücken übertragene Erreger

Nicht nur in Asien, auch hier in Europa werden erste Auswirkungen des Klimawandels auf die Ausbreitung von Zoonosen bereits beobachtet: Bei uns bisher unbekannte Insekten wie Asiatische Tigermücken, die unter anderem Dengue-, Chikungunya-, West-Nil- oder Zika-Viren übertragen, können weiter nordwärts wandern. Seit 2011 sind sie regelmäßig in den Sommer- und Herbstmonaten im Süden Deutschlands beobachtet worden, mittlerweile können sie hier auch überwintern. In Teilen Südeuropas kam es durch diese Mückenart bereits zu Krankheitsfällen von Dengue- und Chikungunyafieber.[1] In Frankreich konnte das Zika-Virus nachgewiesen werden.[2]

Hauptverbreitungsweg für exotische Mückenarten wie Tigermücken ist der globale Warenhandel. Vier weitere exotische Mückenarten wurden seit 2004 in Deutschland nachgewiesen und konnten sich zum Teil hier ansiedeln. Insbesondere die aus dem ostasiatischen Raum stammende Asiatische Buschmücke breitet sich seit einigen Jahren stark aus.[3] Sie verdrängt offenbar bereits einheimische Arten und überträgt ebenfalls Krankheitserreger, allerdings im Vergleich zur Tigermücke wohl weniger effektiv.[4]

Auch heimische Mücken werden gefährlicher, denn bei wärmeren Temperaturen können sich Viren in ihnen schneller vermehren. Als Folge steigt die Gefahr von Infektionen durch Mückenstiche. 2019 meldete das Robert Koch-Institut (RKI) die fünf ersten in Deutschland erfolgten Infektionen mit dem West-Nil-Fieber, 2020 stieg die Zahl der gemeldeten Fälle auf zwanzig, es gab einen Todesfall. Betroffene Bundesländer waren Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eine hohe Dunkelziffer wird vermutet, da infizierte Menschen teilweise gar keine oder keine eindeutigen Symptome zeigen. Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg, sagt dazu:[5]

“Hätten wir keine Corona-Pandemie, würden wir mehr über die Zunahme an Fällen des West-Nil-Fiebers reden.”

Das natürliche Reservoir für das West-Nil-Virus sind Vögel. Zugvögel können die Viren über weite Strecken “transportieren”, beispielsweise aus den Tropen nach Europa. Stechmücken übertragen das Virus von Vögeln auf Menschen und andere Wirbeltiere. Neben Menschen können insbesondere Pferde am West-Nil-Fieber erkranken.[6]

Durch Zecken übertragene Erreger

Zecken profitieren bereits vom Klimawandel, wodurch das allgemeine Risiko einer FSME-Infektion für die Bevölkerung steigt. Denn heimische Zecken, die normalerweise Winterruhe halten, verlängern ihre Aktivitätsphase. In warmen Wintern kann man Zecken das ganze Jahr über finden - vor 15 Jahren war dies noch undenkbar.[7] Seit mehreren Jahren wird in Deutschland eine Zunahme der FSME-Erkrankungen beobachtet. Zunehmend sind auch höhere Lagen und nördlichere Bundesländer betroffen.[8] Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine akute Entzündung der Hirnhäute, eventuell auch des Gehirns und des Rückenmarks, kann durch das FSME-Virus ausgelöst werden. Neben der Übertragung durch Zecken gibt es einen weiteren, hochriskanten Übertragungsweg: den Verzehr von Rohmilch oder Rohmilchkäse infizierter Ziegen, Schafe oder Kühe.[9][10][11]

Die eher in Südeuropa beheimatete Auwaldzecke hat sich, ebenfalls aufgrund der steigenden Temperaturen, in den letzten Jahrzehnten verstärkt in Deutschland ausgebreitet. Sie überträgt Hundemalaria und das Q-Fieber.[12] Sie könnte auch eine Rolle bei der Ausbreitung der FSME spielen. Eine Impfung kann vor der FSME-Erkrankung schützen, allerdings sind nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland geimpft.[13]

Eine Forschungsgruppe der Yale School of Public Health wies nach, dass neben den steigenden Temperaturen auch die Verschiebung der Jahreszeiten eine Rolle spielt. Sie kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich durch einen Zeckenstich mit Borrelien zu infizieren und an Lyme-Borreliose zu erkranken. Darüber hinaus verändert der Klimawandel die Routen und Verbreitungsgebiete einiger Vögel. Mit ihnen erreichen auch Zecken neue Regionen. Aufgrund des milderen Klimas können Zecken zudem in höhere Gebirgslagen vordringen.[14]

Durch Fledermäuse übertragene Erreger

Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel wohl einer der Faktoren ist, die die Entstehung von COVID-19 begünstigt haben. Globale Treibhausgasemissionen führten im letzten Jahrhundert zu klimatischen Veränderungen, durch die sich die Lebensräume von Fledermäusen verschoben haben. Im vermuteten Ursprungsgebiet von SARS-CoV-2 in Südchina konnten sich Waldgebiete ausbreiten und damit auch zahlreiche neue Fledermausarten. Diese brachten ca. 100 neue Coronaviren mit. Sie kamen mit anderen Tierarten in Kontakt, durch die Erreger übertragen wurden oder sich weiterentwickeln konnten.[15]

Das Ebola-Virus zählt zu den gefährlichsten Erregern der Welt. Es wurde 1976 nahe des Flusses Ebola, in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo), entdeckt und gehört zur Familie der Filoviren. Das Ebola-Virus sorgt in Afrika immer wieder für verheerende Ausbrüche. Wissenschaftlern zufolge könnte es in Zukunft häufiger auftreten. Die von der Erkrankung betroffene Fläche könnte weiter wachsen. Denn das natürliche Reservoir der Ebola-Viren sind höchstwahrscheinlich Fledermäuse und Flughunde, deren Lebensbedingungen sich durch das wärmere und feuchtere Klima verbessern.[16] Ebola ist eine schwere Infektionskrankheit, die mit Fieber und Blutungen einhergeht (hämorrhagisches Fieber). In 30 bis 90 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich. Übertragen werden kann das Virus durch engen Kontakt mit infizierten Tieren und deren Ausscheidungen und Körperflüssigkeiten. Insbesondere Affen, aber auch Fledermäuse und weitere Tierarten wie Waldantilopen und Stachelschweine spielen eine Rolle als Überträger,[17] zum Beispiel bei Jagd und Schlachtung. Infektiöse Tierprodukte (Zubereitung und Verzehr) stellen einen weiteren Übertragungsweg dar.[18] Auch die Übertragung über den Kontakt mit dem Kot infizierter Fledermäuse ist offensichtlich möglich.[19] Die Übertragung durch infizierte Schweine scheint ebenfalls möglich, sie könnten eine Rolle bei der Entstehung von Ebola-Ausbrüchen spielen. In Versuchen infizierten sich zudem Affen bei Schweinen über die Luft (Aerosole).[20][21][22] Die Übertragung von Mensch zu Mensch findet ebenfalls bei engem Kontakt statt. Übertragungswege sind insbesondere Körperflüssigkeiten aber auch damit in Kontakt gekommene Gegenstände, in seltenen Fällen auch eine Tröpfcheninfektion (durch Husten).[23][24]

Abschließend ein Zitat von Camilo Mora, Professor an der Universität Hawai'i-Manoa und einer der Autoren der Studie zur Entstehung von COVID-19:[25]

"Die Tatsache, dass der Klimawandel die Übertragung von Krankheitserregern von Wildtieren auf den Menschen beschleunigen kann, sollte ein dringender Weckruf sein, die globalen Emissionen zu reduzieren."

Durch Nagetiere übertragene Erreger: Welche Bedeutung hat das Hantavirus in Deutschland?

Welche Risiken birgt der Konsum von Rohmilch?

Welche Rolle spielt unsere Ernährung und wie kann eine nachhaltige Welternährung gestaltet werden?

Was hat unsere Lebensweise mit Pandemien zu tun?


Quellen:


  1. Achtung Tigermücke! Umwelt Bundesamt; 2017 ↩︎

  2. Klimawandel treibt tropische Tigermücken nach Bayern. Tanja Fieber und Sebastian Kirschner; 25.10.2019 (BR24) ↩︎

  3. Mückenatlas (Internet-Portal zur Verbreitung von Mückenarten, gestartet von FLI und ZALF) ↩︎

  4. Asiatische Buschmücke macht sich in Deutschland breit. Martina Rathke; 11.2012 (Zeit Online) ↩︎

  5. Mücken übertragen mehr Krankheiten. DPA; 03.2021 (Apotheken Umschau) ↩︎

  6. West-Nil-Fieber in Österreich. Netdoktor (netdoktor.at) ↩︎

  7. Zecken freuen sich über Klimawandel. Pfizer (Zecken.de) ↩︎

  8. Forscher warnen - Universität Hohenheim: FSME-Gefahr durch Zecken könnte steigen. SWR; 10.03.2021 ↩︎

  9. FSME. Dr. med Fabian Dupont, Martina Feichter; 01.2020 (NetDoktor) ↩︎

  10. FSME: Auch mit Rohmilch kann man sich anstecken. Christiane Fux;
    03.2018 (NetDoktor)
    ↩︎

  11. Was ist FSME? Pfizer (Zecken.de) ↩︎

  12. Zecken freuen sich über Klimawandel. Pfizer (Zecken.de) ↩︎

  13. Forscher warnen - Universität Hohenheim: FSME-Gefahr durch Zecken könnte steigen. SWR; 10.03.2021 ↩︎

  14. Zecken: Klimawandel macht sie gefährlicher. WANC; 11.05.09 (Medizinarium) ↩︎

  15. Klimawandel spielte womöglich wichtige Rolle bei der Entstehung vom SARS-CoV-2. Beyer, Robert M., Manica Andrea, Mora Camilo; 2021 (Potsdam-Institut für Klimaforschung) ↩︎

  16. Steigt das Ebola-Risiko? Daniela Albat; 15.10.2019 (wissenschaft.de) ↩︎

  17. Ebola virus disease.World Health Organisation; 02.2021 ↩︎

  18. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Ebolafieber. Robert Koch Institut; Stand 07.2020 ↩︎

  19. Ursprung der Ebola-Epidemie identifiziert. EMBO, 05.01.2015 – NPO (Scinexx) ↩︎

  20. Infectious Disease Experts Argue: ‘Ebola Virus Could Be an Aerosol-Transmissable Disease’. Barbara Hollingsworth; 10.2014 (CNSNews.com) ↩︎

  21. Ebola durch die Luft übertragen. Christina Berndt; 11.2012 (Süddeutsche Zeitung) ↩︎

  22. Ebola-Übertragung von Schwein auf Mensch? 01.2009 ↩︎

  23. Ebola. Clemens Gödel; 12.2019 (NetDoktor) ↩︎

  24. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Ebolafieber. Robert Koch Institut; 07.2020 (rki.de) ↩︎

  25. Covid-19: Wie der Klimawandel zur Corona-Pandemie führte. ens/eal; 02.2021 (mdr Wissen) ↩︎