Welche Risiken birgt der Konsum von Rohmilch?

Wie hoch ist die Gefahr der FSME-Infektion über Rohmilch?

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis ist in Russland und im fernen Osten weit verbreitet und in Europa auf dem Vormarsch. Zecken profitieren im deutschsprachigen Raum schon heute vom Klimawandel. Das Risiko, von einer mit FSME-Viren infizierten Zecke gestochen zu werden und an der Frühsommer-Meningoenzephalitis zu erkranken, steigt. Auch viele Tierarten können durch Zecken infiziert werden, darunter Ziegen, Schafe und Kühe. Diese erkranken allerdings in der Regel nicht und werden schnell immun gegen das Virus. Dementsprechend ist FSME bei Tieren nicht meldepflichtig, eine Prävention nicht nötig.[1] Den meisten Menschen nicht bekannt sein dürfte, dass sich hier jedoch ein weiterer Ansteckungsweg für sie auftut der zwar seltener, aber deutlich riskanter als ein Zeckenstich ist: Insbesondere in Hochrisikogebieten kann Rohmilch mit FSME-Viren infiziert sein. Denn in der akuten Phase nach der Infektion scheiden infizierte Tiere die Viren über mehrere Tage mit der Milch aus.

“Von 100 Personen, die von infizierten Zecken gebissen werden, bricht die Krankheit bei 30 Personen aus. Bei infizierter Rohmilch beobachten wir den Krankheitsausbruch bei 100 von 100 Personen.” Prof. Ute Mackenstedt, Parasitologin der Universität Hohenheim[2]

In Rohmilch und daraus hergestellter Butter bleibt das Virus bis zu zwei Monate aktiv. Auch Käse der aus infizierter Rohmilch hergestellt wurde, kann die Erreger noch übertragen und die Erkrankung auslösen.[3][4]

Warum wurde die Pasteurisierung von Milch eingeführt?

Die Pasteurisierung (schonende Wärmebehandlung) von Milch wurde im 19. Jahrhundert eingeführt, um die Tuberkulose einzudämmen, die ebenfalls über die Milch übertragen werden kann. Weitere Zoonoseerreger die durch Rohmilch übertragen werden können sind Bakterien wie Campylobacter, enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Salmonellen, Listerien, Brucellen und weitere Viren, darunter vermutlich Hepatitis E-Viren.[5][6]

Während in den 1950er Jahren durch Rohmilch verursachte Erkrankungen noch häufiger vorkamen, wird die Milch in Deutschland heute zum größten Teil pasteurisiert und das Risiko damit entsprechend reduziert. Verkauft werden darf Rohmilch nur noch

  • unter höheren hygienischen Anforderungen und bestimmten Auflagen (z. B. ständige Kühlung, Verbrauchsdatum höchstens 96 Stunden) als sogenannte Vorzugsmilch
  • direkt vom Betrieb, ebenfalls unter Auflagen und mit dem Vermerk “Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen”.[7]

In der EU gibt es keine einheitlichen Vorschriften, die gesetzliche Regelung zur Abgabe von Rohmilch und Rohrahm an Verbraucher ist den Mitgliedstaaten überlassen.

Milch wird heute zum allergrößten Teil pasteurisiert. Warum widmen wir uns dem Thema dennoch so ausführlich?

Seit dem Wegfall der Milchquote zum 01. April 2015 werben immer mehr Bauern mit Slogans wie “Frischmilch oder Rohmilch - rund um die Uhr zapfen”. Dazu passend gibt es einen allgemeinen Trend zu naturbelassenen Lebensmitteln, die direkt bei Erzeuger bezogen werden. Dies geschieht oft aus Gründen der Nachhaltigkeit, Transportwege und Verpackungen fallen weg. Der Erzeuger aus der Nachbarschaft kann direkt unterstützt werden und die Produkte sind vermeintlich besonders gesund und geschmackvoll. Teile der Bevölkerung bevorzugen so auch den Verzehr von Rohmilch. Seit einiger Zeit nehmen Meldungen über Krankheitsfälle nach dem Verzehr von Rohmilch dementsprechend wieder zu.

Eine Kuh scheidet am Tag rund einen Zentner Kot aus. Es verwundert daher nicht, dass Milch insbesondere mit Fäkalkeimen wie verschiedenen Campylobacter-Spezies kontaminiert sein kann.[8] Selbst wenn die Tiere gesund erscheinen und sehr sorgfältig und unter sauberen Bedingungen gemolken wird: das Melken ist kein steriler Prozess. Krankheitserreger können über Rohmilch auf den Menschen übertragen werden. Tiere die mit Campylobacter besiedelt sind, zeigen oft keine Symptome. Beim Menschen genügen allerdings schon wenige Keime für eine Infektion, die zu wässrigem, gelegentlich blutigem Durchfall, Bauchschmerzen, Bauchkrämpfen, Fieber und Mattigkeit führen kann. Die Erkrankung kann bis zu einer Woche andauern, selten auch länger. Die Campylobacteriose ist meldepflichtig und mit 60.000 bis 70.000 Fällen pro Jahr die häufigste gemeldete bakterielle Erkrankung in Deutschland. Meist geschieht die Infektion durch Keime in tierischen Lebensmitteln. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schrieb Anfang 2020 dazu:

“Seit fünf Jahren fällt ein Lebensmittel zudem besonders auf: nicht oder nicht ausreichend erhitzte Rohmilch.”[9]

2018 war nicht agbekochte Rohmilch für 26 Prozent der durch Lebensmittel verursachten Krankheitsausbrüche verantwortlich.[10]

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Quellen:


  1. Frühsommer-Meningoencephalitis FSME beim Tier und beim Menschen. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen - Schweizerische Eidgenossenschaft ↩︎

  2. FSME: Auch mit Rohmilch kann man sich anstecken. Christiane Fux;
    03.2018 (NetDoktor)
    ↩︎

  3. Frühsommer-Meningoencephalitis FSME beim Tier und beim Menschen. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen - Schweizerische Eidgenossenschaft ↩︎

  4. Zeckenenzephalitis – Mögliche Übertragung via Nahrungsmittel. zecken-stich.ch (Pfizer, Verfora); 18.03.2021 ↩︎

  5. Fragen und Antworten zur Übertragung von FSME-Viren durch Rohmilch. Bundesamt für Risikobewertung; 07.2016 ↩︎

  6. Verzehr von Rohmilch – gesundheitlicher Nutzen oder Risiko? Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; 2020 ↩︎

  7. Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung - Tier-LMHV). Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (Gesetze im Internet) ↩︎

  8. Rohmilch direkt vom Bauernhof? VerbraucherService Bayern im KDFB e.V.; 05.2019 ↩︎

  9. Roh ist riskant. BfR; 01.2020 (pdf) ↩︎

  10. Rohmilch – ein unterschätztes Risiko? Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. ↩︎