Krankheitsübertragung vom Menschen auf Menschenaffen

Dass durch Bakterien und Parasiten ausgelöste Infektionen von Menschen auf wilde Affen übergehen können, war bereits länger bekannt. In der Regel sind sie nicht sehr gefährlich. Eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2008 präsentierte die ersten direkten Beweise, dass auch Viren von Menschen auf Menschenaffen übertragen werden.[1]

Dass sich Menschenaffen in Gefangenschaft beim Menschen anstecken können, leuchtet ein. Schließlich besteht ein recht enger Kontakt, auch in Innenräumen. Zudem sind sie eng mit uns verwandt. Aber wie sieht es in der freien Natur aus? Kommen Menschen den Menschenaffen überhaupt nahe genug, um sie anstecken zu können? Wurden solche Übertragungen schon nachgewiesen?

Gorilla_pexels-francesco-ungaro-1238277_a
Foto: Francesco Ungaro von Pexels

Haben sich wildlebende Menschenaffen schon mal bei Menschen angesteckt?

Wildlebende Menschenaffen können sich mit Krankheitserregern menschlichen Ursprungs anstecken, insbesondere wenn sie an Menschen gewöhnt sind. Dies belegen verschiedene Forschungen. Die Übertragung von menschlichen Atemwegserregern führte in einigen Fällen zu hohen Erkrankungsraten und erheblichen Sterberaten unter Menschenaffen.

Zwei menschliche Viren die Atemwegserkrankungen hervorrufen, wurden bei Menschenaffen nachgewiesen: das Humane Respiratorische Synzytial-Virus (HRSV) bei Schimpansen, Gorillas und Bonobos und das Humane Metapneumovirus (HMPV) bei Schimpansen und Gorillas und im Kot von Bonobos. Beide Viren sind RNA-Viren, die meist über Tröpfchen- und Schmierinfektionen übertragen werden.[2] Sie sind häufige Ursachen von Atemwegserkrankungen beim Menschen und in Entwicklungsländern eine Hauptursache für die Kindersterblichkeit.[3] Denn während diese Viren bei gesunden erwachsenen Menschen meist nur eine leichte Erkrankung auslösen, können sie insbesondere bei kleinen Kindern auch zu Bronchiolitis und Lungenentzündung führen.[4]

Bei den meisten beschriebenen Ausbrüchen von Atemwegserkrankungen bei Menschenaffen waren zudem Streptokokken beteiligt: Streptococcus pneumoniae - ein unter Menschen sehr verbreitetes Bakterium, das schwere Lungenentzündungen verursachen kann. Dieser menschliche Erreger ist bekannt dafür, auch bei Nagetieren, pferdeartigen Säugetieren und nichtmenschlichen Primaten Krankheiten zu verursachen. Zeitgleiche Infektionen (Koinfektionen) von HRSV und Streptokokken gab es bei wildlebenden Schimpansen, Gorillas und Bonobos. [5] Solch eine Doppelinfektion mit einem viralen und einem bakteriellen Erreger kann zu schwersten Krankheitsverläufen führen und tödlich enden.[6].

Werden Krankheiten nur übertragen, wenn Menschen den wildlebenden Affen sehr nahe kommen?

Eine Studie untersuchte zwei Ausbrüche unter wildlebenden Bonobos in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), die 2014 und 2015 auftraten. Bonobos gehören zu den gefährdeten Menschenaffen. Die Region ist geschützt, doch es leben dort menschliche Gemeinschaften. Sie jagen traditionell keine Bonobos, betreten jedoch häufig den Wald um andere Tiere zu jagen, Waldprodukte zu sammeln oder ihre Kleidung zu waschen. Zur Zeit des ersten Ausbruchs waren die Bonobo-Gruppen noch nicht vollständig an Menschen gewöhnt, eine Annäherung näher als 20 Meter war nicht möglich. Dennoch wurde bei beiden Ausbrüchen unter den Bonobos menschliche Atemwegserreger (HRS-Viren und Streptokokken) nachgewiesen. Die Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die bei den Bonobos gefundenen Viren um 2009 begannen, sich von den verwandten menschlichen Viren zu unterscheiden. Der Streptokokken-Erreger war identisch zu einem menschlichen Typ, der in Afrika kursiert. Im Gegensatz zu Viren, können diese Bakterien im Individuum und somit in der Gruppe und letztendlich in der Population verbleiben. Kommt später eine Virusinfektion hinzu, kann es zu der gefährlichen Doppelinfektion kommen.

Verschiedene Untersuchungen von Ausbrüchen menschlicher Atemwegserkrankungen bei Menschenaffen zeigen auf, dass eine Gewöhnung der wildlebenden Menschenaffen an den Menschen Risiken mit sich bringt. Krankheiten können von Einheimischen die häufig den Wald betreten auf die Affen übergehen aber auch von Menschen, die den Tieren folgen: Beispielsweise während Tourismus- und Forschungsaktivitäten. [7]

Können Ökotourismus und Forschung Menschenaffen schützen?

Gorillas sind vom Aussterben bedroht, Bonobos und Schimpansen stehen als gefährdet auf der Roten Liste.[8] Die kommerzielle Jagd und der Verlust von Lebensräumen gehören zu den größten Bedrohung für Menschenaffen. Ökotourismus und Forschung gelten dagegen als positive Maßnahmen zum Schutz der Tiere und ihres Lebensraumes. Affentourismus und Forschung bergen jedoch das Risiko der Krankheitsübertragung, ganz besonders bei engem Kontakt zwischen Menschen und an sie gewöhnte Menschenaffen.

Seit langem ist bekannt, dass Atemwegserkrankungen die wichtigste Ursache für Erkrankung und Sterblichkeit bei wilden Menschenaffen sind, die zu Forschungs- und Tourismuszwecken an Menschen gewöhnt sind. Möglicherweise ist der starke Rückgang von Schimpansenpopulationen die über lange Zeit erforscht wurden, auf Atemwegserkrankungen zurückzuführen.

Spätestens der Beweis aus dem Jahr 2008, dass auch menschliche Atemwegsviren auf Menschenaffen übertragen werden können, warf eine Frage auf: Überwiegen die Gefahren durch die Übertragung von Krankheiten möglicherweise die Vorteile - Schutz vor Wilderei und Lebensraumverlust? Während eines Forschungsprojekts im Taï-Nationalpark war es zwischen 1999 und 2006 zu fünf verschiedenen Ausbrüchen von Atemwegserkrankungen unter Taï-Schimpansen gekommen. Durchschnittlich erkrankten 92,2 Prozent der Mitglieder der betroffenen Gruppen, 1999 und 2004 ganze 100 Prozent. Die Studie von 2008 untersuchte drei Ausbrüche, bei denen es Todesfälle gab. Wie bei den meisten menschlichen Atemwegserkrankungen wurde auch hier eine Mischung aus bakteriellen und viralen Atemwegserregern gefunden. Bei allen drei Ausbrüchen fanden sich Streptokokken, 2004 zusätzlich Pasteurella multocida. Bei allen Proben wurde außerdem eins von zwei Viren in den Lungen der verstorbenen Schimpansen nachgewiesen: HRSV oder HMPV. Diese Viren können über die Luft, direkten Kontakt oder kontaminierte Oberflächen weitergegeben werden. Sie wurden in Atemwegssekreten, Schweiß und Kot nachgewiesen. Bei in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen lösten diese Viren leichte bis schwere Atemwegssymptome aus und machten die Tiere anfälliger für zusätzliche - sogenannte sekundäre - Infektionen mit Bakterien. Bei den drei Ausbrüchen unter den Taï-Schimpansen lag die Sterberate bei mindestens 19, 18 und 3 Prozent. Die unmittelbare Todesursache könnte die Sekundärinfektion mit Bakterien gewesen sein.

Menschen sind laut der Studie von 2008 die einzigen bekannten Reservoirwirte für HRSV und HMPV. Die Untersuchungsergebnisse deuteten stark darauf hin, dass diese Viren in jüngerer Vergangenheit mehrfach direkt durch Menschen auf wilde Schimpansen übertragen worden waren. Denn in allen Fällen hatten die in Affen und Menschen gefundenen Viren gemeinsame Vorfahren innerhalb weniger Jahre (HRSV 3-6, HMPV 8 Jahre).

Im Fall der Taï-Schimpansen zeigte die Untersuchung auf, dass die Viren sehr wahrscheinlich durch Forschungsgruppen eingebracht wurden. Es gab dort keine Dörfer und Plantagen und Wildererlager wurden nur gelegentlich gesichtet. Währenddessen verbrachte das Forschungspersonal viel Zeit im unmittelbaren Lebensraum der Schimpansen. Je intensiver geforscht wurde und je geringer die Abstände zu den Tieren waren, um so höher war die Sterblichkeit unter halbwüchsigen Schimpansen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Annäherung von Menschen an Menschenaffen während Forschung und Tourismus eine große Bedrohung für die Menschenaffen darstellt. Das Dilemma: diese Aktivitäten schützen die Tiere auf der anderen Seite vor Wilderei und Lebensraumverlust. Der Affentourismus stellt in einigen Ländern eine wichtige Einnahmequelle dar und die Anwesenheit von Forschungs- und Reisegruppen hält Menschen die wildern wollen fern.

In den der Studie vorangegangenen 24 Jahren gab es 13 weitere Ereignisse unter den Taï-Schimpansen, bei denen jeweils mehrere Todesfälle registriert wurden. Bei vier dieser Ereignisse konnten die Todesursachen festgestellt werden: Ebola, Milzbrand und zwei Wildereivorfälle. Bei acht der weiteren neun Ereignisse scheinen menschliche Atemwegserkrankungen ursächlich gewesen zu sein. Eine erschreckend hohe Anzahl. Gleichzeitig wird der positive Effekt deutlich, den die Anwesenheit von Forschungsteams und Tourismusprojekten haben kann. Im Taï-Nationalpark scheint der Schutz durch die Unterdrückung der Wilderei die negativen Auswirkungen durch Atemwegsinfektionen überwogen zu haben: In den entsprechenden Gebieten nahm die Anzahl der Schimpansen zu. Darüber sollte jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass die Krankheitsausbrüche teils mit erheblichen Sterberaten und damit dem Verlust von Gruppen- und Familienmitgliedern einher gingen.

Wie kann es gelingen, den Schutz durch Forschung und Tourismus zu erhalten und gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen zu minimieren?

Wie kann die Gefahr der Krankheitsübertragung während Forschung und Tourismus reduziert werden?

Um die negativen Auswirkungen durch die Übertragung von Krankheiten auf Menschenaffen während Forschung und Tourismus zu reduzieren, forderte die Forschungsgruppe (bereits im Jahr 2008) die Umsetzung konkreter Maßnahmen:

  • für Tourismus, Parkpersonal und Forschung:
    • Strenge und weitreichende Hygienevorschriften.
    • Impfvorschriften für alle potenziell gefährlichen Krankheiten für die es Impfungen gibt - darunter Masern, Mumps und Röteln.
    • Zugang ausschließlich für asymptomatische Menschen.
    • Maskenpflicht (N95), da Atemwegserkrankungen oft asymptomatisch verlaufen.
  • Impfung von Menschen die in der Nähe von Parks und Reservaten leben
  • Überwachung [der Tiere] über Monitoringsysteme, um mögliche negative Auswirkungen zu erfassen.
  • Intensivierung der Forschung, um Krankheitsübertragungen zu verhindern.
  • Entwicklung von Methoden zur Behandlung und Impfung von wildlebenden Affen.[9]

Mittlerweile ist durch SARS-CoV-2 eine zusätzliche Bedrohung für die gefährdeten, zum Teil vom Aussterben bedrohten, wildlebenden Menschenaffen hinzugekommen. Die Einführung und Einhaltung dieser Maßnahmen wurde damit nochmals dringlicher.

pexels-sudheer-reddy-8224934
Foto: Sudheer Reddy von Pexels

Wie können wir Wildtiere vor menschlichen Infektionskrankheiten schützen?

Nicht zuletzt die Erkenntnisse verschiedener Forschungsgruppen die Übertragungen menschlicher Krankheiten auf Menschenaffen untersuchten verdeutlichen, wie wichtig es ist sowohl die Gesundheit von wildlebenden Tieren als auch der einheimischen Bevölkerung zu überwachen und entsprechende Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Tier zu ergreifen. Insbesondere in Regionen mit hoher Krankheitslast und schlechter Gesundheitsversorgung wird es immer wichtiger, einen sogenannten "One-Health-Ansatz" zu fördern: Einen Ansatz, der die einheimische Bevölkerung und ihre Bedürfnisse mit einbezieht. Hygienemaßnahmen und Impfkampagnen für Menschen die in oder in der Nähe von Wildtierhabitaten leben, sind dabei von großer Bedeutung.

Je geringer die Krankheitslast der lokalen Bevölkerung und deren domestizierten Tiere ist, um so geringer ist auch das Risiko für Wildtiere.[10] Dies gilt selbstverständlich nicht nur in ärmeren Ländern. Es gilt überall dort, wo wir Menschen:

  • direkt in Kontakt mit Wildtieren kommen oder
  • über "unsere Tiere" in Kontakt mit Wildtieren kommen,
  • in ihren Lebensraum eindringen oder
  • ihren Lebensraum kontaminieren, beispielsweise über unsere Abwässer oder Gülle und Mist aus unseren Ställen.

Wir in den reicheren Regionen der Erde haben es deutlich leichter, Infektionskrankheiten und Pandemien zu bekämpfen und an Impfstoffe zu kommen. Damit können wir alle unseren Teil dazu beitragen, den Sprung von Erregern vom Menschen auf Tiere zu erschweren. Zu Hause und auch im Urlaub (s. o.).

Welche Tierarten haben sich bereits beim Menschen mit SARS-CoV-2 angesteckt?

Was bedeutet es für uns Menschen, wenn sich Wildtiere mit SARS-CoV-2 infizieren?

Quellen:


  1. Pandemic Human Viruses Cause Decline of Endangered Great Apes. SophieKöndgen, HjalmarKühl, Paul K.N'Goran, SophieKöndgen129HjalmarKühl29Paul K.N'Goran et al.;01.2008 (ScienceDirect) ↩︎

  2. Human Respiratory Syncytial Virus and Streptococcus pneumoniae Infection in Wild Bonobos. Kim S. Grützmacher, Verena Keil, Sonja Metzger et al., EcoHealth 15; 02.2018 (Springer Nature) ↩︎

  3. Pandemic Human Viruses Cause Decline of Endangered Great Apes. SophieKöndgen, HjalmarKühl, Paul K.N'Goran, SophieKöndgen129HjalmarKühl29Paul K.N'Goran et al.;01.2008 (ScienceDirect) ↩︎

  4. Human Respiratory Syncytial Virus and Streptococcus pneumoniae Infection in Wild Bonobos. Kim S. Grützmacher, Verena Keil, Sonja Metzger et al., EcoHealth
    15; 02.2018
    (Springer Nature)
    ↩︎

  5. Human Respiratory Syncytial Virus and Streptococcus pneumoniae Infection in Wild Bonobos. Kim S. Grützmacher, Verena Keil, Sonja Metzger et al., EcoHealth 15; 02.2018 (Springer Nature) ↩︎

  6. KoInfekt. Universität Greifswald ↩︎

  7. Human Respiratory Syncytial Virus and Streptococcus pneumoniae Infection in Wild Bonobos. Kim S. Grützmacher, Verena Keil, Sonja Metzger et al., EcoHealth
    15; 02.2018
    (Springer Nature)
    ↩︎

  8. Menschenaffen auf der Roten Liste
    Gorillas vom Aussterben bedroht. BR Wissen; 05.2021 (br.de)
    ↩︎

  9. Pandemic Human Viruses Cause Decline of Endangered Great Apes. SophieKöndgen, HjalmarKühl, Paul K.N'Goran, SophieKöndgen129HjalmarKühl29Paul K.N'Goran et al.;01.2008 (ScienceDirect) ↩︎

  10. Human Respiratory Syncytial Virus and Streptococcus pneumoniae Infection in Wild Bonobos. Kim S. Grützmacher, Verena Keil, Sonja Metzger et al., EcoHealth 15; 02.2018
    (Springer Nature)
    ↩︎