Ist die Pelzindustrie eine Quelle für Coronapandemien?

Es gibt sehr überzeugende Argumente dafür, dass der Marderhund (oder ein anderes Pelztier) der Zwischenwirt für SARS-CoV-2 gewesen sein kann. Demnach hätte das Virus über diese Tiere den Sprung auf den Menschen geschafft. Welche Rolle spielt die Pelzindustrie in dieser Theorie?

Wie können Coronaviren in Pelztierbetriebe gelangen?

Als Raubtiere können sich wildlebende Marderhunde und verwandte Arten in der freien Natur infizieren, zum Beispiel wenn sie Fledermäuse fressen. Fledermäuse haben eine hohe Neugeborenensterblichkeit, tote Tiere fallen während der Geburtssaison in den Höhlen von der Decke und die kleinen Raubtiere wissen dies. In dieser Zeit können sich Coronaviren besonders stark in den Fledermäusen vermehren. Zum einen fährt das Immunsystem der Muttertiere während der Geburtssaison etwas herunter, zum anderen ist der Nachwuchs noch nicht immun gegen Viren. So fällt für die Raubtiere genau zu der Zeit besonders viel Nahrung an, in der sich Viren besonders stark in Fledermausbeständen verbreiten können.

Christian Drosten vermutet, dass die Bestände in den Zuchtfarmen immer wieder durch Wildtiere ergänzt werden, die das Virus einschleppen können.[1] Darüber hinaus ist es denkbar, dass wildlebende Artgenossen aus Neugier oder auf der Nahrungssuche zu den Käfigen der Pelztierfarmen kommen. So kann es zum Kontakt zwischen wildlebenden und gefangen gehaltenen Tieren kommen.[2]

Die engen Drahtkäfige der Pelztiere sind oft auch nach oben nicht vollständig geschlossen. Befindet sich die Farm in oder nahe einem Fledermaushabitat, kann Kot oder Urin von infizierten Fledermäusen hinein fallen.[3] Wie hier geschrieben, bezweifelt Christian Drosten, dass (SARS-)Coronaviren über Kot weitergegeben werden - unter anderem, weil dieser schnell eintrocknet. Allerdings landen die Exkremente in diesem Fall frisch in den engen Käfigen. Möglicherweise vergrößert dies die Wahrscheinlichkeit einer Infektion?

Ist der Bestand einer Pelztierfarm erst einmal infiziert, kann sich das Virus zum Beispiel durch den Handel mit den Tieren auf weitere Betriebe und Märkte ausbreiten. Und es kommt über die Tiere in Kontakt mit Menschen.

Können sich Viren in Pelzbetrieben an den Menschen anpassen?

Viren können sich in bestimmten Säugetieren so entwickeln, dass sie besser an den Menschen angepasst sind: Sie können sich zum Beispiel durch den Verlust sogenannter CpG-Elemente auf eine Weise verändern, dass menschliche Zellen die Viren nicht mehr so leicht eliminieren können. So können die Viren ungehinderter in den menschlichen Körper gelangen und sich vermehren. Eine Studie zeigt, dass SARS-CoV-2 einen besonders extremen Mangel an CpG aufweist. Fledermäuse unterscheiden sich zu stark vom Menschen, als dass eine solche Anpassung bereits in ihnen stattgefunden haben könnte, berichtete der Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé in “Kekulés Corona-Kompass #35”. Dies lässt darauf schließen, dass sich das Virus schon längere Zeit, mindestens einige Monate, in einem dafür prädestinierten Säugetier befand. Das Virus muss sich unter diesen neuen Wirtstieren verbreitet haben, um sich im Laufe der Zeit durch Mutationen entsprechend anpassen zu können. Verschiedene Säugetiere kämen hier infrage. Der Autor der Studie argumentiert, dass es sich um Hunde gehandelt haben könnte, da Hunde-Coronaviren einen ähnlich starken CpG-Mangel aufweisen. Während er streunende Hunde als Zwischenwirt im Verdacht hat,[4] weist Alexander Kekulé auf eine andere “Hundeart” hin. Sie sehen aus wie Waschbären, gehören aber zu den Hunden: Marderhunde. Das Zentrum der Marderhundzucht in China liegt laut Prof. Kekulé interessanter Weise in der Provinz Hubei, deren Hauptstadt Wuhan ist. Die hohe Anzahl an Tieren auf engem Raum in den Pelztierbetrieben begünstigt und beschleunigt Ausbreitung, Mutation und damit die Anpassung von Viren an den Marderhund als neuen Wirt stark. Der regelmäßige Kontakt zwischen Menschen und Tieren ermöglicht es Viren, auf den Menschen überzuspringen und durchaus auch wieder zurück auf die Tiere. Diese Sprünge hin und her zwischen Tier und Mensch können mehrfach geschehen, ein Prozess, in dem sich ein Virus immer weiter an den Menschen als neuen Wirt anpassen kann. Das kann dazu führen, dass ein solches Virus “lernt”, sich effektiver von Mensch zu Mensch zu verbreiten. Eine solche Entwicklung des Virus in Pelztierfarmen könnte erklären, warum SARS-CoV-2 schon zu Beginn der Pandemie so erstaunlich gut an den Menschen angepasst war.[5]

Die hier erwähnte Studie wurde im April 2020 von einem kanadischen Wissenschaftler veröffentlicht. Im Juli folgte eine wissenschaftliche Arbeit anderer Autoren die betont, dass der Mangel an CpG in Hunde-Coronaviren kein Beweis dafür sei, dass streunende Hunde eine plausiblere Quelle für SARS-CoV-2 sind als die meisten anderen potenziellen Wirtstiere. Besonders hervorgehoben werden hier Fledermäuse und Schuppentiere, da in diesen beiden Arten bisher die nächsten Verwandten des Virus gefunden wurden. Die Autoren sprechen sich dafür aus, viele verschiedene wilde und domestizierte Tierarten zu untersuchen, um den Ursprung von “SARS-ähnlichen” Coronaviren zu finden.[6] Hiermit wären wir wieder bei der Untersuchungslücke, von der Christian Drosten spricht.

Die logische Konsequenz aus den vorhandenen Informationen und den Ereignissen in den Nerzfarmen wäre, Pelztiere auf das Virus zu untersuchen.

Warum gibt es keine Untersuchungsdaten aus Pelztierfarmen?

Es gibt bei der Forschung nach dem Ursprung der COVID-19-Pandemie keine Daten über die Suche nach dem Virus in Pelztieren. Hierzu stellt Christian Drosten Vermutungen an: Chinesische Wissenschaftler:innen könnten von politischer Seite keine Erlaubnis für solche Untersuchungen bekommen haben. Es könnte der Regierung unangenehm sein, dass nach der ersten SARS-Pandemie noch einmal ein solcher Ausbruch in diesem Bereich möglich war. Denkbar wäre auch, dass die große Pelz- und Textilindustrie in China geschützt werden soll. Sehen wir uns an, wie die meisten westlichen Länder mit Corona-Ausbrüchen auf Nerzfarmen umgehen, welche Konsequenzen gezogen werden – oder eben auch nicht – wirkt dieser Erklärungsversuch sehr plausibel. So wurde in Dänemark zwar zunächst konsequent durchgegriffen, nachdem sich Nerze und Menschen wechselseitig infiziert hatten und die sogenannten Nerz-Mutationen auftraten: es wurden sämtliche Nerze so schnell wie möglich in Massen getötet, um eine Ausbreitung der potenziell gefährlichen Varianten zu stoppen. Im zweiten Schritt wurde jedoch nicht die logische Konsequenz gezogen. Anstatt es den Niederlanden gleich zu tun und die Nerzzucht zu beenden, wird die dänische Pelzindustrie finanziell unterstützt, um das vorübergehende Verbot zu überstehen.

Möglicherweise gab es vor der COVID-19-Pandemie Virusausbrüche in chinesischen Pelztierfarmen. Dortige Behörden oder Wissenschaftler:innen könnten sogar solche Farmen untersucht und sämtliche Tiere betroffener Farmen getötet haben, um eine Ausbreitung zu verhindern. Die Tötung des gesamten Bestandes ist nach aktuellen Erkenntnissen leider die einzige Möglichkeit, einen solchen Virusausbruch wirklich unter Kontrolle zu bringen und zu beenden. Wäre der neue Bestand solch einer Farm später ebenfalls infiziert worden, dann höchstwahrscheinlich mit einer anderen Variante, da sich das Virus ständig etwas verändert. Würde also heute in denselben Farmen nach dem Ursprung der Pandemie gesucht werden, könnte das ursprüngliche Virus nicht mehr nachgewiesen werden. Hier könnten nur eingelagerte Proben aus früheren Untersuchungen weiterhelfen – sofern sie existieren.

Denkbar wäre darüber hinaus, dass das Virus nicht einmal in China entstand, sondern in einem anderen Land, in dem ebenfalls Pelztiere gezüchtet und gehandelt werden. Über den Handel könnte es nach China gelangt sein. Es ist gut möglich, dass die Quelle der COVID-19-Pandemie nie aufgeklärt werden wird.[7]

Was ist mit Pelztieren in westlichen Ländern?

Seit Ende April 2020 konnten wir beobachten, dass sich Nerze beim Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren können.[8] Einige Monate später zeigte sich, dass das Virus von den Nerzen wieder zurück auf den Menschen springen kann, auch in mutierter Form. Anders als Zibetkatzen und Schuppentiere, werden “Pelztiere” auch in westlichen Ländern für die Pelzindustrie gezüchtet und in großer Anzahl unter Bedingungen gehalten, unter denen sich Viren gut verbreiten und mutieren können. Letztendlich wird das Fell dieser Tiere als Pelz (Kleidung und Accessoires) verkauft. Viele Kunden die echten Pelz ablehnen, greifen bewusst zu Kunstpelz. Teilweise werden Produkte aus echtem Pelz jedoch als Kunstpelz deklariert, da dieser in der Herstellung teurer ist aber eher akzeptiert wird.[9]

Fazit

Der Verdacht, dass diese Pandemie ihren Ursprung in der Pelzindustrie hatte, ist sehr naheliegend. Nicht zuletzt die Ausbrüche und Virus-Mutationen in Nerzfarmen in Europa, den USA, Russland, Südafrika und Australien zeigen, wie realistisch dieses Szenario ist und wie hoch die Gefahr für ein solches Ereignis in Pelztierfarmen auf der ganzen Welt ist.[10] Selbst wenn die Pelzindustrie dieses Mal nicht die Quelle gewesen sein sollte, ist sie eine potenzielle Quelle für zukünftige Pandemien.

Die Virologin Isabella Eckerle (vom Geneva Centre for Emerging Viral Diseases der Universität Genf) sagt über die Zuchtbetriebe der Pelzindustrie:[11]

"Das sind menschengemachte Evolutionsbeschleuniger. So viele Tiere leben natürlicherweise nicht zusammen auf engem Raum."

Viele Regierungen weltweit sehen sich offenbar der Pelzindustrie verpflichtet und schützen sie vor der logischen Konsequenz aus den Virusausbrüchen auf Pelztierfarmen: dem Ende der Pelztierzucht. Es kann sehr deprimierend sein zu sehen, dass offenbar die Interessen bestimmter Industriezweige nicht "nur" über den Schutz der Tiere, sondern selbst über den Schutz der Bevölkerung gestellt werden. Sicher, damit werden auch Arbeitsplätze in dieser Industrie gesichert. Doch anstatt eine grausame und riskante Industrie am Leben zu erhalten, könnten die Betriebe auch bei der Umstellung auf ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell unterstützt werden.

Was uns bleibt, ist als wählende Bevölkerung Druck auf die Regierungen und als Verbrauchende Druck auf Industrie und Handel aufzubauen. Was nicht nachgefragt wird, wird nicht produziert. Was gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert wird, wird von der Politik früher oder später nicht mehr unterstützt.

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Sind Wildtiere die einzigen Tiere, die Überträger von Coronaviren sein können?

Sind auch “unsere Nutztiere” mögliche Überträger für Coronaviren?

Was wissen wir aktuell über den Ursprung der Pandemie?


  • Coronavirus-Update Nr. 92: Woher stammt das Virus? NDR Podcast mit Christian Drosten vom 08.06.2021

Quellen:

Die wichtigste Quelle für diesen Abschnitt ist die 92. Podcastfolge vom "Coronavirus-Update" des NDR mit dem Virologen Christian Drosten, vom 08.06.2021.


  1. Coronavirus-Update, Folge 92. Beke Schulmann, Wissenschaftsredakteurin (NDR Info), Christian Drosten Virologe (Charité Berlin); 1/19 Stand 08.06.2021 ndr.de/Coronaupdate
    (PDF)
    ↩︎

  2. SARS-CoV-2 in “Wild” Mink. Scott Weese; 12.2020 (Worms & Germs Blog) ↩︎

  3. Die Spur des Virus Teil 1: Aus der Wildnis nach Wuhan. Arndt Reuning; 06.2021 (deutschlandfunk.de) ↩︎

  4. Extreme Genomic CpG Deficiency in SARS-CoV-2 and Evasion of Host Antiviral Defense. Xuhua Xia; 04.2020 (Molecular Biology and Evolution, Oxford Academic) ↩︎

  5. Kekulés Corona-Kompass #35; 04.2020 - ab Min. 32:20 (mdr Aktuell) ↩︎


  6. Skip Nav Destination
    Viral CpG Deficiency Provides No Evidence That Dogs Were Intermediate Hosts for SARS-CoV-2. David D. Pollock, Todd A. Castoe, Blair W. Perry et al.; 07.2020
    ↩︎

  7. Coronavirus-Update, Folge 92. Beke Schulmann, Wissenschaftsredakteurin (NDR Info), Christian Drosten Virologe (Charité Berlin); 1/19 Stand 08.06.2021 ndr.de/Coronaupdate
    (PDF)
    ↩︎

  8. Pelztiere erkranken massenhaft an Covid-19. Hanno Charisius; 05.2020 (Süddeutsche Zeitung) ↩︎

  9. Echtes Fell wird oft als Kunstpelz verkauft: So erkennen Sie den Unterschied. Peter Carstens; 10.2020 (Geo) ↩︎

  10. Coronavirus: Nerz-Mutationen in sieben Ländern nachgewiesen. Jörg Römer / Der Spiegel; 11.2020 (msn.com)
    ↩︎

  11. Pelztiere erkranken massenhaft an Covid-19. Hanno Charisius; 05.2020 ↩︎