Steigt die Gefahr der Verbreitung des SARS-2-Virus unter „Nutztieren”?

Steigt die Gefahr der Verbreitung des SARS-2-Virus unter „Nutztieren”?

Ähnlich wie es bei Mäusen der Fall war, gelten die sogenannten „Nutztiere” bisher nicht als potenzielle Wirte für SARS-CoV-2. Ein paar dieser Tierarten zeigten jedoch laut früheren Studien eine geringe Anfälligkeit für SARS-CoV-2, darunter Rinder, Ziegen, Kaninchen und Schweine. Rinder konnten während einer weiteren Studie zwar infiziert werden, gaben das Virus aber nicht untereinander weiter. Die Forschenden warnten jedoch vor möglichen Doppelinfektionen mit dem Rinder-Coronavirus (mehr Infos hier). Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 unter Weißwedelhirschen in den USA und Kanada lässt befürchten, dass sich das Virus besser an weitere Weidetiere, darunter Rinder, anpassen könnte.

Der bei weitem größte Anteil der „Nutztiere” wird zu Tausenden bzw. Zigtausenden auf engem Raum gehalten, unter perfekten Bedingungen für Viren. Wie wir bei den Nerzen gesehen haben, kann sich auch SARS-CoV-2 unter solchen Bedingungen rasend schnell unter Tieren ausbreiten, sofern sie das Virus untereinander weitergeben können. Das Virus kann mutieren und durchaus auch auf Menschen zurück springen oder in die Umgebung entweichen und Wildtiere infizieren - auch das konnten wir bei den Nerzen beobachten.

Gleichzeitig mit der Anpassung an Mäuse, hat sich Omikron auch besser an Menschen und zwei „Nutztierarten” angepasst, an Kamele und Ziegen. Dass auch Kamelfarmen Ursprung für Virusausbrüche sein können, haben wir 2012 an einem anderen Coronavirus gesehen: am MERS-Coronavirus.

Wie können wir das Risiko für zukünftige Ausbrüche von SARS-CoV-2-Varianten aus tierischen Reservoiren verringern?

Mit dem Ziel die Wirtsart zu ermitteln in der sich Omikron entwickelte, führte eine Forschungsgruppe eine umfassende Studie durch. Die Forschungsergebnisse dieser hier vorgestellten Studie „Evidence for a mouse origin of the SARS-CoV-2 Omicron variant” lassen vermuten, dass Omikron in Mäusen entstand:

Die Ergebnisse der vielfältigen Untersuchungen legen nahe, dass der Vorläufer von Omikron im Laufe der Pandemie, höchstwahrscheinlich Mitte 2020, vom Menschen auf Mäuse überging. Während das Virus in den Mäusen zirkulierte, passte es sich demnach an diesen neuen Wirt an. Mutationen im Spike-Protein führten dazu, dass das Virus besser an den „ACE2-Rezeptor“ der Mäuse binden und so Mäuse effektiver infizieren konnte. Zusätzlich häuften sich Mutationen an, die mit der Immunflucht im Zusammenhang stehen, was zur schnellen Verbreitung unter Menschen beitragen kann. Über ein Jahr lang sammelten sich demnach Mutationen an, bevor das Virus im November 2021 wieder von den Mäusen zum Menschen zurückkehrte. Die Anpassung von SARS-CoV-2 an eine Tierart kann in einer Art Kettenreaktion die Anpassung an weitere Arten nach sich ziehen. Im Fall von Omikron waren dies, wie oben erwähnt, Menschen, Kamele und Ziegen.

Was empfehlen die Forschenden aufgrund der Studienergebnisse?

Der Mensch stellt das größte bekannte Reservoir von SARS-CoV-2 dar. Wir kommen häufig mit anderen Tieren in Kontakt: mit sogenannten „Nutztieren“, Haustieren und Wildtieren, die bei uns Nahrung und Unterschlupf suchen (z. B. Mäuse).

Die Forschenden betonen daher die Notwendigkeit der Überwachung und Untersuchung der bei Tieren auftretenden Virusvarianten. Besonders bei Tierarten, mit denen wir im engen Kontakt stehen. Sie gehen davon aus, dass zusätzlich folgende Maßnahmen dazu beitragen können, zukünftige Ausbrüche gefährlicher SARS-CoV-2-Varianten zu verhindern: Computergestützte Modellierungen der in Tieren vorkommenden Varianten („rechnerische Charakterisierung der Spike-RBD bei Tieren“) und die Überprüfung auf mögliche Wechselwirkungen mit menschlichem ACE2 - dem Enzym, welches das Virus als Eintrittspforte in die Zelle nutzt.[1]

Unsere Gedanken dazu:

Die von der Forschungsgruppe geforderten Maßnahmen sind definitiv wichtig. Sie beschränken sich allerdings auf Themengebiete der Forschung. Darunter die strengere Überwachung der Virusverbreitung unter Tieren. Die Bedeutung der Tierarten mit denen wir in engem Kontakt stehen, wird besonders hervorgehoben. Die Tiere in den Ställen - die sogenannten „Nutztiere“ - werden hier konkret erwähnt. Dennoch wird die Reduzierung der gewaltigen Tierbestände mit keinem Wort als Möglichkeit der Prävention genannt. Hier scheinen die an der Studie Beteiligten einen blinden Fleck gehabt zu haben. Denn wer die Studie vorbehaltlos liest und mit den Bedingungen der modernen Tierhaltung halbwegs vertraut ist, kann eigentlich nur zu der Schlussfolgerung kommen, dass besonders die Nähe der Menschen zu den sogenannten „Nutztieren“ ein Risiko darstellt, das minimiert oder sogar beseitigt werden sollte. Dementsprechend können wir alle einen Beitrag leisten, nicht nur die Forschenden.

Was können wir - die Bevölkerung - tun?

Der bei weitem größte Anteil der Tiere, mit denen Menschen häufig in Kontakt stehen, gehört zu den „Nutztieren“. Weltweit werden jedes Jahr über 70 Milliarden von ihnen für unseren Konsum getötet. Sie leben unter Bedingungen, unter denen sich Viren besonders leicht und schnell vermehren und somit auch mutieren und an neue Wirte anpassen können. Die Haltung von Tieren für unseren Konsum ist heute, hier bei uns und in vielen anderen Ländern, überflüssig. Dies betrifft insbesondere Länder, in denen besonders viele Tiere gehalten bzw. verzehrt werden. Auch der Verzehr von Wildtieren ist in diesen Ländern nicht mehr notwendig und birgt ebenfalls Risiken, wie auch die starke Ausbreitung von SARS-CoV-2 unter Weißwedelhirschen in Nordamerika zeigt. Die Ausbrüche von SARS-CoV-2 in Nerzfarmen, zeigen zudem die Gefährdung durch die Pelzindustrie auf.

Es gibt heute eine Vielzahl an alternativen Nahrungsmitteln, von vielfältigen pflanzlichen Grundnahrungsmitteln bis hin zu diversen pflanzlichen Alternativprodukten. Auch im Bereich der Textilindustrie gibt es immer mehr Alternativen. Somit könnten wir mit der Umstellung unseres Konsums auf pflanzliche Alternativen das Risiko für neue, potenziell gefährlichere Varianten schnell und effektiv reduzieren. Und das, ohne auf den Genuss leckeren Essens oder das Tragen schicker Kleidung verzichten zu müssen.

Quellen:


  1. Evidence for a mouse origin of the SARS-CoV-2 Omicron variant. Changshuo Weiab, Ke-Jia Shanab, Weiguang Wang et al.; 12.2021 (Science Direct) ↩︎