Wie sieht es mit Biofleisch oder teureren Produkten aus?

Der Bio-Anteil am Fleisch ist in Deutschland auf einem niedrigen einstelligen Prozentniveau.[1] Dazu kommt, dass viele (konventionelle) Schlachthöfe für Biotiere zertifiziert sind, Biotiere also oft mit den gleichen Maschinen und Abläufen getötet werden. Daher sind auch die hygienischen Bedingungen nicht zwingend anders.

Tiertransporte über weite Strecken gibt es in der biologischen Tierhaltung ebenfalls, die EU-Ökoverordnung macht bezüglich Dauer und Strecke keine gesonderten Vorgaben. Diese Verordnung verbietet in der Biohaltung den Einsatz industriell gehaltener, stressanfälligerer Rassen, auf genetische Vielfalt muss aber nicht geachtet werden. Ein größeres Platzangebot mit Zugang zu Außenbereichen wird vorgeschrieben, die vorgegebenen Mindestflächen können in der Verordnung auf den Seiten 64 und 66 eingesehen werden. Auf Seite 67 kann die maximale Anzahl von Hühnern (4.800) und anderem Geflügel je Stall eingesehen werden.[2] Zu beachten ist dabei, dass es durchaus üblich ist, mehrere Ställe direkt nebeneinander zu bauen.

Tiere aus konventioneller Haltung aus dem Bereich des höheren Tierwohls haben weniger Platz als in der Biohaltung zur Verfügung. Regionale und robustere Rassen sind hier nicht vorgeschrieben.

All diese Tiere leben gemeinsam mit Artgenossen und können daher untereinander Erreger austauschen. Je mehr Tiere in einer Herde sind und je enger sie gehalten werden, um so leichter haben es die Erreger, sich zu vermehren und um so häufiger treten Mutationen auf.

Tatsächlich sind Tiere auch auf Weideflächen Krankheitserregern ausgesetzt,[3] so dass auch sie oft mit Infektionen belastet sind. Tiere auf der Weide können sich bei Wildtieren mit Infektionskrankheiten anstecken, dies funktioniert aber auch umgekehrt. So können infizierte "Nutztiere" die Biodiversität beeinflussen, indem sich Wildtiere bei ihnen anstecken.[4] Diese gegenseitige Ansteckung wird durch die Einengung der Lebensräume der Wildtiere forciert. Bei den "Nutztieren" können sich wiederum die Menschen anstecken, unter anderem auch durch den Konsum von Rohmilch. Ein Beispiel hierfür ist die Tuberkulose[5], ein weiteres die Paratuberkulose, die immer wieder mit der Darmerkrankung Morbus Crohn in Verbindung gebracht wird (wissenschaftlich bisher nicht eindeutig belegt).[6] Aktuell wurden im Allgäu mehrere Fälle von Rindertuberkulose in Milchbetrieben gemeldet.[7] Zu erwähnen ist im Zusammenhang mit der möglichen gegenseitigen Ansteckung auch die Vogelgrippe.[8]

Artgerechtere Haltungsformen haben einen größeren Flächenverbrauch.[9] Wie eingangs geschrieben, ist der Bio-Anteil des in Deutschland gekauften Fleisches sehr gering (ca. 2%). Dies trifft auch auf Milch (ca. 9%) und Käse (ca. 3%) zu.[10] Schon jetzt haben wir weltweit große Probleme durch den immensen Flächenverbrauch der Tierhaltung. Die Berechnung der Klimabilanz von "Weidefleisch" im Vergleich zu konventionellem Fleisch ist recht komplex. Wird der Wald, der anstelle der Weideflächen wachsen könnte, als fehlende CO2-Senke einbezogen, ist die Bilanz deutlich schlechter als bei Tieren, die in Mastställen gehalten werden.[11] Sowohl der Klimawandel als auch andere Umweltprobleme, wie Abholzung und das Eingreifen und Eindringen in die Lebensräume von Wildtieren und die Verknappung ihres Lebensraumes, verschärfen wiederum die Problematik der Zoonosen und Pandemien.

Der Preis des Fleisches hat hauptsächlich einen Einfluss darauf, wie viel Fleisch gekauft und weggeworfen wird. Maßnahmen wie mehr Platz für die Tiere, Zugang zu Außenbereichen und robustere Rassen, können das Risiko für Pandemien senken. Insbesondere die Gefahr der Mutation von Erregern zu besonders gefährlichen Varianten, an denen sehr viele der Erkrankten sterben können, ist unter den Bedingungen der konventionellen, intensiven Tierhaltung deutlich größer. Grundlegend bleibt die Gefahr des Ausbruchs von zoonotischen Infektionskrankheiten, wie wir oben gesehen haben, jedoch auch in der Bio- und Weidehaltung bestehen. Dies zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit. Die "Spanische Grippe", die als schlimmste Pandemie der menschlichen Geschichte bezeichnet wird, zeigt, dass auch verheerende Pandemien schon vor der Intensivierung der Tierhaltung, wie wir sie heute kennen, entstehen konnten. Die Pandemie von 1889/90 ist ein weiteres Beispiel.

Ergänzung Sept. 2020:

Das Dilemma, das sich ergibt, wenn wir versuchen eine erhöhte Nachfrage nach tierischen Produkten aus artgerechterer Tierhaltung zu befriedigen, wird aktuell beim Blick auf Australien deutlich. Die Geflügelfarmer im Bundesstaat Victoria haben zur Zeit mit den bis heute schlimmsten Vogelgrippe-Ausbrüchen in ihren Betrieben zu kämpfen - und das in der Freilandhaltung. Es wurden drei verschiedene Virusstämme gefunden. Dies bedeutet, dass es sich um verschiedene, zeitgleiche Ausbruchsgeschehen handelt. In diesem Zusammenhang wurde Ende Juli 2020 erstmals der hochpathogene Virusstamm H7N7 in einer Freilandhaltung festgestellt. Wie konnte es dazu kommen? Die Haltung einer großen Anzahl an Vögeln an einem Ort - in diesem Falle 43.500 Legehennen in einem Betrieb - wird für diesen und die anderen Ausbrüche verantwortlich gemacht. Trotz der mittlerweile eingeführten höchsten Biosicherheitsstandards und Kontrollen konnte sich das Virus H7N7 weiter ausbreiten: Bis Ende August waren zwei weitere Betriebe mit Legehennen von diesem hochpathogenen Vogelgrippevirus betroffen.[12][13] Um die Ausbrüche zu kontrollieren, wurden hunderttausende von Vögeln (Hühner, Puten und Emus[14]) getötet.

“Ich denke die Verbraucher sehen in ihrer Vorstellung wenige hundert Hühner in diesem schönen grünen Gras herumlaufen und das ist es, was sie kaufen. Unglücklicherweise müssen, um das Volumen an Eiern zu produzieren, das die Supermärkte haben möchten, 20, 30, 40.000 Vögel in einem Gehege gehalten werden”. Brian Ahmed von der “Victorian Farmers Federation” (Übers. aus dem Englischen.)[15]

Die Situation in Australien verdeutlicht noch einmal wie schwierig es ist, die Verbreitung von Erregern zu stoppen. Hier handelt es sich um Freilandbetriebe. In den Sperrgebieten rund um die betroffenen Höfe müssen die Tiere bis zum 19. Oktober innerhalb der Ställe gehalten werden, in angrenzenden Gebieten bis Ende September. So soll der Kontakt mit Wildvögeln unterbunden werden.

Sind Tiere in der Stallhaltung tatsächlich sicher vor Infektionen?

Müssen wir die Risiken und Probleme der Tierhaltung für die Sicherstellung unserer Ernährung eingehen oder gibt es einen anderen Weg?


00-Tablle-Klimabilanzen

00-Vergleich-Ernaehrungsweisen

Klimabilanzen verschiedener Ernährungsweisen:[16]
grafi-co2-ernaehrung

Wasserverbrauch-Lebensmittel

Quellen:


  1. Anteil von Bio-Lebensmitteln am Einkauf privater Haushalte in Deutschland 2018 ↩︎

  2. EU-Verordnung Ökologischer Landbau (PDF, ab Seite 53) ↩︎

  3. Woran es auf Bio-Höfen krankt ↩︎

  4. Meat consumption, health, and
    the environment. Godfray et al., Science 361, eaam5324; 2018
    ↩︎

  5. Rotwild-Tuberkulose: Schleichende Gefahr im Visier. Bernd Kaltwasser; 2014 (Boiökonomie.de) ↩︎

  6. Mycobacterium avium Subspecies paratuberculosis Infects and Replicates within Human Monocyte-Derived Dendritic Cells. William D. Rees, Ana C. Lorenzo-Leal et al.; 07.2020 (Microorganisms / MDPI) ↩︎

  7. Rinder-Tuberkulose in vier Betrieben im Oberallgäu. Andrea Trübenbacher, Roswitha Polaschek; 22.09.2020 (BR24) ↩︎

  8. TIERGESUNDHEITS JAHRESBERICHT 2018. Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit; 2019 (PDF) ↩︎

  9. Planung der Weidenutzung. Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen; 2015 ↩︎

  10. Anteil von Bio-Lebensmitteln am Einkauf privater Haushalte in Deutschland 2018 ↩︎

  11. Ein Kilo Rindfleisch so klimaschädlich wie 1.600 Kilometer Autofahrt: Flächenverbrauch für Weideland macht Klimabilanz noch schlechter als bisher gedacht. Scinexx; 2012 ↩︎

  12. Avian influenza in Victoria:
    Current situation. National pest & disease outbreaks; 08.2020 (Commonwealth of Australia)
    ↩︎

  13. Vogelgrippe: Neue Ausbrüche in Australien. Redaktion fleischwirtschaft.de; 09.2020 (fleischwirtschaft.de) ↩︎

  14. Tens of thousands of chickens and emus to be killed as Victorian bird flu outbreak worsens. Jane McNaughton, Emilia Terzon / ABC Ballarat; 08.2020 (abc.net) ↩︎

  15. Victoria's worst outbreak of avian influenza is raising questions about the rapid rise of free-range farming. Jess Davis / Landline; 09.2020 (abc.net) ↩︎

  16. Klimabilanzen verschiedener Lebensmittel & Ernährungsweisen (WWF über Klima Teller) ↩︎