Petition: "Stoppt die Zensur pflanzlicher Milchprodukte"

Während das EU-Parlament im Oktober 2020 das "Veggie-Burger-Verbot" ablehnte, stimmte es gleichzeitig mit einer knappen Mehrheit für den Änderungsantrag 171. Dieser soll Verbraucher davor schützen, versehentlich zu einer pflanzlichen Milchalternative zu greifen. Schon jetzt sind diese pflanzlichen Alternativen als "vegan" gekennzeichnet, Bezeichnungen für Milchprodukte (wie Milch und Käse) sind bereits durch das Gesetz geschützt.
Der aktuelle Änderungsantrag geht weiter, jegliche Verwendung von Begriffen, die ursprünglich in Verbindung mit Milch und Milchprodukten genutzt werden, soll für pflanzliche Lebensmittel zensiert werden.

Was hat das mit dem Thema Pandemien zu tun?

Eine Genehmigung des Antrags würde die Umstellung auf eine nachhaltigere Ernährung erschweren. Diese ist jedoch dringend notwendig, um dem Klimawandel, dem Biodiversitätsverlust und der Entstehung von Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken. Darüber hinaus hilft eine pflanzliche Ernährung, das Risiko für zukünftige Pandemien deutlich zu reduzieren.


ProVeg-Petition_Milchprodukte_Vers2
Hier geht es zur Petition , die sich an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten der EU wendet. Gestartet wurde sie von der internationalen Ernährungsorganisation ProVeg.


Warum wird die Umstellung auf eine nachhaltigere Ernährung durch Änderungsantrag 171 erschwert?

Begriffe und Ausdrücke wie „sahnige Konsistenz“ oder „cremig“ könnten verboten werden. Die Suche nach nachhaltigen Alternativen zu bisher verwendeten Milchprodukten im Supermarkt wäre deutlich erschwert, weil Produkteigenschaften und Angaben wie „Alternative zu Quark/Skyr/Joghurt...“ nicht mehr angegeben werden dürften. Auch Hinweise wie "enthält keine Milch", die nicht zuletzt für Allergiker sehr hilfreich sind, könnten verboten werden. Es geht aber auch um Verpackungen und Bildmaterial, auch hier soll einer Verwechslung vorgebeugt werden: Bizarrerweise könnte der Antrag somit verbieten, dass pflanzliche Lebensmittelhersteller Abbildungen ihrer eigenen Produkte auf den Verpackungen verwenden.

Besonders skurril: währenddessen ist die Voraussetzung dafür, dass pflanzliche Produkte Fleischbezeichnungen wie "Schnitzel" oder "Wurst" tragen dürfen, dass sie den entsprechenden Produkten möglichst ähnlich - um nicht zu sagen zum verwechseln ähnlich - sind. Kriterien wie Verwendungszweck, Konsistenz und Mundgefühl zählen hier. Selbst der Kompromissvorschlag, nach dem die Produkte deutlich mit dem Vermerk "ohne Fleisch" gekennzeichnet werden sollten, wurde abgelehnt.[1] Hier wird offensichtlich keine Verwechslung befürchtet. Es drängt sich die Frage auf: Sind Fleischesser schlauer als Milchtrinker?

Zurück zu den Milchprodukten: Für die Hersteller pflanzlicher Alternativen hätte der Änderungsantrag zur Folge, dass sie viel Geld in die Neugestaltung der Verpackungen und in Re-Marketing investieren müssten. Die Gefahr aufgrund falscher Auslegung der Vorschriften verklagt zu werden, wäre groß. Social-Media-Beiträge oder Werbeanzeigen, in denen wissenschaftliche Daten darlegen wie die CO2-Emissionen der pflanzlichen Alternativen im Vergleich zu den entsprechenden Milchprodukten ausfallen, könnten verboten werden. Auch gesundheitliche Vorteile gegenüber Milchprodukten dürften möglicherweise nicht kommuniziert werden.

Der Antrag würde somit Informationen vor den Verbrauchenden verbergen und Innovationen im aufstrebenden pflanzlichen Sektor behindern. Er steht somit den politischen Ansätzen der EU zur Förderung der pflanzlichen Ernährung entgegen, wie sie im "European Green Deal"[2] und der "Farm to Fork Strategie"[3] aufgeführt sind. Stimmen EU-Kommission und Rat dem Änderungsantrag ebenfalls zu, wird er Teil der entsprechenden EU-Verordnung. Angesichts der Krisen unserer Zeit wäre dies eine höchst unverantwortliche, unverhältnismäßige und vor allem unnötige Maßnahme.

Was darf aktuell als "Milch" bezeichnet werden?

  • Milch ist definiert als "das durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnene Erzeugnis der normalen Eutersekretion von zur Milcherzeugung gehaltenen Tierarten."
  • Als Milcherzeugnis bezeichnet werden darf: "ein ausschließlich aus Milch hergestelltes Erzeugnis, auch unter Zusatz anderer Stoffe, sofern diese nicht verwendet werden, um einen Milchbestandteil vollständig oder teilweise zu ersetzen".[4]
  • Ausnahmen gibt es für "...die Bezeichnung von Erzeugnissen, deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist, und/oder wenn die Bezeichnungen eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt werden".[5]

Trotz des letzen Halbsatzes ist die einzige pflanzliche Milchalternative die es in die entsprechende Liste geschafft hat, Kokosmilch - neben Liebfrau(en)milch (Weinbezeichnung in Deutschland) und Fischmilch (Samen männlicher Fische). Desweiteren finden sich auf der Liste der Ausnahmen: Milchner, Butterbirne, Rahmapfel, Butterbohne, Butterkohl, Butterpilz, Milchbrätling, Buttersalat, Erdnussbutter, Kakaobutter, Fleischkäse, Leberkäse, Käseklee, Butterhäuptel, Butterschnitzel, Faschiertes Butterschnitzel, Milchmargarine, Margarinestreichkäse.


Quellen:


  1. EU-Parlament lehnt Verbot von Fleischnamen für Veggie-Produkte ab. MDR Aktuell; 10.2020 ↩︎

  2. Ein europäischer Grüner Deal - Erster klimaneutraler Kontinent werden. Europäische Kommission (europa.eu) ↩︎

  3. Farm to Fork Strategy – for a fair, healthy and environmentally-friendly food system. European Commission (europa.eu) ↩︎

  4. Gesetz über Milch, Milcherzeugnisse, Margarineerzeugnisse und ähnliche Erzeugnisse (Milch- und Margarinegesetz). Bundesamt für Justiz; 01.2019 (Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz) ↩︎

  5. BESCHLUSS DER KOMMISSION vom 20. Dezember 2010 zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (Neufassung)(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 8434)(2010/791/EU) (EUR-Lex) ↩︎