Wird Dänemark aus der Nerzzucht aussteigen?
13.11.2020: Die dänische Regierung ist aufgrund der Anordnung der landesweiten Tötung der Nerze unter Druck geraten. Zum einen fehlte hätten rechtlich nur die Nerze in der betroffenen Region getötet werden dürfen. Zum anderen kam es bei den bisherigen Tötungen der Nerze zu Fehlern, die für zahlreiche Tiere noch grausamer endeten als unter den “üblichen Bedingungen”.[1] (Nerze werden in Dänemark vergast.)
Während die sozialdemokratische Minderheitsregierung die Nerzfarmen gerne per Gesetz abschaffen würde, ist die Mitte-Rechts Opposition dagegen, die Betriebe und deren Angestellte um ihre wirtschaftliche Grundlage zu bringen. Entsprechend ist ein Eilverfahren für ein Notgesetz zur Tötung sämtlicher Nerze in Dänemark an der dafür nötigen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung arbeitet nun Berichten zufolge an einem normalen Gesetz, das mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Dieses Gesetzes soll offenbar das Ende der Nerzindustrie in Dänemark begründen.[2]
Während die dänische Regierung noch mit Gesetzeslage und Opposition ringt und es in der Bevölkerung noch einen relativ großen Rückhalt für die Nerzindustrie gibt,[3] zog das weltgrößte Auktionshaus für Pelze bereits die Konsequenzen. “Kopenhagen Fur” gab am Morgen des 12.11.2020 den mehr als 300 Mitarbeitern gegenüber die geplante Schließung bekannt. Diese solle nicht sofort, sondern kontrolliert im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre durchgeführt werden. Für 2021 wird noch mit einer “normalen Saison” gerechnet.[4] Das Auktionshaus “Kopenhagen Fur” wurde 1930 gegründet und ist im Besitz der dänischen Nerzzüchter.
Update
Anfang Februar 2021 bestätigte die zuständige Behörde, dass alle Nerze auf dänischen Nerzfarmen getötet worden sind. Möglicherweise könnten vereinzelt noch Nerze in Zoos oder als Haustiere existieren. Während die dänische Regierung um ein milliardenschweres Entschädigungspaket für die Nerzbranche streitet, wurden in Polen die ersten COVID-19-Fälle bei Nerzen festgestellt. Sämtliche Nerze der betroffenen Farm sollen getötet werden.[5] [6]
Wird eine große Chance vertan?
Anfang April 2021 genehmigte die Europäische Kommission die Pläne der dänischen Regierung, Nerzzüchter und andere Betriebe der Nerzbranche mit 1,74 Milliarden Euro zu unterstützen. Das Paket setzt sich aus zwei Maßnahmen zusammen:
- Maßnahme: mit rund 1,2 Mrd. EUR werden Nerzzuchtbetriebe für das vorübergehende Verbot der Nerzzucht, das bis Anfang 2022 gilt, entschädigt.
- Maßnahme: mit rund 538 Mio. EUR, sollen Nerzzuchtbetriebe und mit der Nerzzucht verbundene Betriebe, die bereit sind, ihre Produktionskapazität an den Staat abzugeben, unterstützt werden.
Diese Beihilfemaßnahmen sollen “eine beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Dänemarks” beheben. Gleichzeitig sollen die europäischen und weltweiten Bemühungen gesichert werden, die Pandemie zu beenden. Die Branche, die “anfällig für das Entstehen neuer Coronavirus-Varianten” ist, soll umstrukturiert werden. Genau hier wurde unserer Ansicht nach eine große Chance vertan und ein fatales Signal gesendet, denn nur die 538 Millionen Euro aus dem zweiten Maßnahmenpaket sind an entsprechende Bedingungen geknüpft. 1,2 Milliarden Euro hingegen sind reine Entschädigungen, die die Betriebe am Leben erhalten:
"Die Direktzuschüsse werden als Ausgleich für das Verbot der Nerzzucht gewährt und sollen alle Fixkosten für Nerzzüchter decken, die ihre Produktion bis zur Aufhebung des Zuchtverbots am 1. Januar 2022 vorübergehend einstellen. Dieser Zeitraum kann um ein Jahr verlängert werden." Europäische Kommission[7]
Über die Ursachen von Pandemien wird noch immer kaum gesprochen. Ab und an wird das Verbot des Wildtierhandels und die Schließung von Wildtiermärkten gefordert. Diese Forderung wird hierzulande kaum auf Kritik stoßen, im Gegenteil. Gleichzeitig genehmigt die EU ein Hilfspaket, das Nerzfarmen das Überleben sichert. Ernsthaft? Wie sollen Länder, die unserer Ansicht nach den Wildtierhandel und Wildtiermärkte verbieten sollen, diese Forderungen noch ernst nehmen? Dies wäre die Gelegenheit gewesen, die Betriebe mit diesem Hilfspaket bei der Umstellung auf ein anderes Geschäftsmodell zu unterstützen. Dass die zweite Maßnahme in diese Richtung geht, begrüßen wir sehr, es hätte jedoch das gesamte Hilfspaket an den Ausstieg aus der Pelztierzucht geknüpft werden müssen.
Nerzfarmen stellen weltweit nach wie vor eine Gefahr für die Bevölkerung dar. SARS-CoV-2 ist möglicherweise schon jetzt dabei, in Wildtieren ein Reservoir zu finden. Gelingt dies - wovon wir ausgehen müssen - besteht die Gefahr, dass das Virus in veränderter Form zu den Nerzen der Nerzfarmen zurückkehrt. So könnte eine neue Pandemie ausgelöst werden, mit etwas Pech auch eine deutlich gefährlichere als die, die wir zur Zeit erleben.
Gleichzeitig freut sich das Auktionshaus “Kopenhagen Fur” im Übrigen nach einigen schlechten Jahren über deutlich gestiegene Preise für Pelz. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Noch scheinen die Pläne das Geschäft aufzugeben zu stehen. Hoffen wir, dass es dabei bleibt.[8]
Können Pelzmäntel die Bekämpfung der Corona-Pandemie gefährden?
Warum kommt es bei Nerzen so schnell zu Mutationen?
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Quellen:
Missglückte Massentötung von Nerzen: Tierschützer wollen Anzeige erstatten. RND/dpa; 09.11.2020 (rnd.de) ↩︎
Ende der Pelzindustrie: Befehl zur Schlachtung von 17 Millionen Nerzen in Dänemark war illegal. Manuel Escher, Klaus Taschwer; 12.11.2020 (DerStandard) ↩︎
Opbakning til minkavlere i ny undersøgelse: - Det er flot i den situation, vi står i. Louise Harkjær Møller
; 15.10.2020 (tv2nord.dk) ↩︎Kopenhagen Fur looks into normal operation in 2021. Kopenhagen Fur; 12.11.2020 (kopenhagenfur.com) ↩︎
Massenkeulung: Alle Nerze auf dänischen Pelzfarmen inzwischen getötet. (APA); 05.02.2021 (Die Presse) ↩︎
Milliarden-Entschädigung für dänische Nerzbranche. Andreas Knudsen; 03.02.2021 (Neues Deutschland) ↩︎
Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt dänische Regelung im Umfang von 1,74 Mrd. EUR zur Unterstützung von Nerzzüchtern und anderen Betrieben der Nerzbranche in der Corona-Krise. Pressemitteilung - Europäische Kommission; 7. April 2021 ↩︎
Strong demand and rising prices on mink skins. Kopenhagen Fur; 25.02.2021 ↩︎